Weltraumfeuerwerk zum 4. Juli

Die Nasa will am US-Nationalfeiertag den Kometen 9P/Tempel 1 ins All sprengen. Heute startet die Sonde mit der Waffe, einem 370 Kilogramm schweren Kupferprojektil. Weltraumbehörde hofft neben wissenschaftlichen Erkenntnissen auf Imagegewinn

VON KENO VERSECK

Es klingt wie schlechte Science-Fiction: Raumfahrtingenieure feuern ein Geschoss auf einen Kometen ab. Mit einer Geschwindigkeit von 3.600 Stundenkilometern prallt es auf den winzigen Himmelskörper. Hinterlässt der Einschlag einen großen Krater? Fliegt der Komet sogar ganz auseinander? Die Welt soll es am 4. Juli 2005 erfahren, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag – nicht im Kino, sondern aus den Nachrichten.

Denn das Szenario mit dem Hollywood-Titel „Deep Impact“ ist eine ganz reale Forschungsmission der Nasa. Heute will die US-Raumfahrtagentur die Sonde mit dem Geschoss vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida starten. Ihr Flugziel ist der Komet 9P/Tempel 1, ein poröser Eis- und Staubbrocken von etwa sechseinhalb Kilometern Durchmesser, der die Sonne auf einer Bahn zwischen den Planeten Mars und Jupiter umrundet. Nach einer knapp sechsmonatigen Reise wird die Sonde am Kometen eintreffen und dann etwa 130 Millionen Kilometer von der Erde entfernt sein, fast so viel wie der Abstand zwischen Erde und Sonne.

Das ein mal ein Meter große Geschoss, ein 370 Kilogramm schweres Kupferprojektil, wird den Kometen bis zum Augenblick des Aufpralls am 4. Juli fotografieren. Den Einschlag und seine Folgen soll die Muttersonde aus mehreren hundert Kilometern Entfernung mit Kameras und anderen wissenschaftlichen Instrumenten verfolgen. Die 267 Millionen Dollar teure „Deep Impact“-Mission wird erstmals einen Blick in das Innere eines Kometen ermöglichen, hoffen die Projektwissenschaftler. „Bisherige Missionen haben sozusagen nur an der Oberfläche von Kometen gekratzt“, erläutert der Planeten- und Kometenforscher Jay Melosh das Vorhaben. „Das sagt nichts über das Eis im Inneren aus, das noch in einem Zustand wie vor viereinhalb Milliarden Jahren ist. Also sprengen wir ein Loch in den Kometen.“

Dabei könnte Interessantes herauskommen. Kometen bestehen aus Eis- und Staubresten aus der Anfangszeit des Sonnensystems. Durch die chemische Analyse dieses Materials können Forscher darauf schließen, wie sich das Sonnensystem und möglicherweise sogar das Leben auf der Erde entwickelt hat. Denn in Kometenmaterial wurden in den letzten Jahren mehrfach komplizierte organische Verbindungen nachgewiesen, die in biochemischen Prozessen auf der Erde eine wichtige Rolle spielen.

Doch nicht das, sondern auch die erhofften spektakulären Action-Szenen stehen bei der „Deep Impact“-Mission im Vordergrund, glaubt man den lautstarken PR-Ankündigungen der Nasa. Der Beschuss des Kometen werde ein „Feuerwerk“ auslösen, das sogar Amateurastronomen mit kleinen Teleskopen sehen könnten. Es werde mindestens einen fußballfeldgroßen Krater hinterlassen, in das ein zehnstöckiges Gebäude hineinpasse, so die Impakt-Prognose der US-Raumfahrtagentur. Im Hintergrund dürfte es auch um einen Test für den Fall gehen, dass ein Komet oder Asteroid auf die Erde zurast und zerstört oder aus seiner Bahn abgelenkt werden soll.

Um jedoch am Unabhängigkeitstag 2005 keine Panik aufkommen zu lassen, gibt die Nasa Entwarnung: Der Beschuss von Tempel 1 werde den Kometen nicht auf Kollisionskurs mit der Erde bringen – auf irdische Verhältnisse umgerechnet gleiche er schließlich lediglich dem Aufprall einer Mücke auf eine Boeing 747.