Mehr Laune für mehr Kinder

Zwei aktuelle Umfragen fördern zutage: Eltern wünschen sich mehr Kinderfreundlichkeit und Anerkennung. Kitaplätze nicht so wichtig. Doch fast die Hälfte der Befragten findet auch einfach keinen geeigneten Partner zur Familiengründung

AUS BERLIN JOHANNES HONSELL

Die Zahl der Geburten hat sich in Deutschland in den letzten vierzig Jahren halbiert. Über die Gründe dafür wird viel gestritten: Mehr Kindergeld fordern die einen, mehr Betreuungsstätten die anderen. Das Augenmerk der Konservativen liegt oft weniger auf materieller Familienpolitik, sondern auf Werten und Gefühlen. Hierfür liefern nun zwei Umfragen neues Material. Diese weisen den Familiengründungs-Faktor „Stimmung“ als zentral aus.

Gemäß dem Report FamilienAnalyse 2005 des Instituts für Demoskopie Allensbach wünschen sich 48 Prozent der jungen Eltern vor allem ein kinder- und familienfreundlicheres Umfeld. Mehr Kindergeld und bessere Betreuungsmöglichkeiten (Kindertagestätten, Hortplätze etc.) stehen erst an zweiter und dritter Stelle, mit 24 bzw. 21 Prozent. Für die Studie wurden 2.831 Personen mit Kindern befragt.

Die Untersuchung „Mehr Kinder. Mehr Leben“ der Zeitschriften Eltern und Eltern for family, die 40.000 Menschen mit und ohne Kinder befragte, belegt einen ähnlichen Trend: Demnach hat die Betreuungssituation bei der Entscheidung für oder gegen Kinder nur eine untergeordnete Bedeutung. Auf der Wunschliste junger Eltern ganz oben stehen neben günstigeren Preisen für Familien und mehr finanzieller Unterstützung durch den Staat eine kinderfreundliche Gesellschaft und die Anerkennung der Erziehungsleistung.

„In Deutschland muss einiges geschehen, dass Kinder mit Familien wieder das Gefühl bekommen, willkommen zu sein“, konstatiert Marie-Luise Lewicki, Zeitschriften-Chefredakteurin. Armutsberichte über Kinder und Erziehungsshows im Fernsehen seien dabei nicht hilfreich. Auch die Integration von Frauen mit Kindern in der Arbeitswelt läuft nicht zufriedenstellend. Für 42 Prozent der Frauen sei ein Kind ein Karrierekiller, sagt Lewicki.

Auch für Renate Köcher vom Allensbach-Institut ist das Lebensgefühl in Deutschland nicht einladend, eine Familie zu gründen. Erstgebärende Frauen seien heute im Schnitt 29 Jahre alt, 2 Jahre älter als vor zehn Jahren. Der Anteil der Frauen ohne Kinder liege in Deutschland bei 33 Prozent, in Frankreich bei 9 Prozent, behauptet Köcher.

Dabei belegen beide Studien: Kinder machen glücklich. Für 89 Prozent der von Allensbach befragten Paare mit Kindern zählt nichts mehr als die Familie. Weit abgeschlagen kommt der Beruf mit 6 Prozent. Für 85 Prozent der Eltern gehört ein Kind zum Leben dazu. Allerdings erachten nur 17 Prozent der Kinderlosen für ihr Lebensglück eigene Kinder als notwendig.

Die Gründe vieler junger Menschen, sich gegen ein Kind zu entscheiden, sind vor allem persönlicher Natur: Die meisten finden einfach keinen geeigneten Partner (44 Prozent), haben Angst vor dem Verlust der Arbeit (39 Prozent) oder der persönlichen Unabhängigkeit (34 Prozent), resümiert die Studie „Mehr Kinder. Mehr Leben.“

Für Herwig Birg, Bevölkerungswissenschaftler an der Uni Bielefeld, ist das nicht verwunderlich: „Partnerschaften erfordern langfristige Festlegungen. Die werden zunehmend riskanter in einer Welt, in der Flexibilität und Mobilität als Tugend Nummer eins gelten.“