NANA HECK ALLEINLAGE
: Kinder, Küche, Kühe

Weil Landwirte sture Individualisten sind, schaffen sie es nicht, ein Kartell zu bilden. Da wirkt der Hungerstreik von Milchbäuerinnen eher wie eine Schlankheitskur. Nun muss die Kundschaft handeln

Schön ist das bäuerliche Leben, wenn man kein Milchvieh hat. Arbeit haben wir hier auf unserem ökologisch bewirtschafteten Hof auch so genug. Während Milchbauern zweimal täglich im Stall melken, genießen wir das Privileg der abwechslungsreichen Arbeit im Freien. Zudem sind unsere Produkte gefragt, was uns Geld und Befriedigung verschafft.

Davon können konventionelle Milchbauern nur träumen. Mit jedem Liter verlieren sie Geld, bestimmt kein schönes Gefühl. Grund ist der Milchpreis. Zurzeit bekommen sie etwa 20 Cent pro Liter, erst ab etwa 30 Cent beginnt kostendeckendes Wirtschaften. Selbst die berühmte Turbokuh mit 10.000 Litern Milch pro Jahr ist da nicht mehr rentabel, und ein Milchbauer kann ja nicht einfach auf die Produktion von Autoteilen umsteigen (die sollen ja auch nicht mehr so gut gehen).

„In Deutschland haben wir 100.000 Milchbauern, 100 Molkereien – und einen Aldi“, sagte einst mein Agrarprofessor Onno Poppinga und brachte damit die Marktmechanismen auf den Punkt. Weil Landwirte Individualisten sind, schaffen sie es nicht, ein Angebotskartell zu bilden. Folglich bestimmt das Nachfragekartell den Preis.

Gab es letztes Jahr noch Milchlieferboykotte im großen Stil, mutet der fünftägige Hungerstreik einer Handvoll Milchbäuerinnen eher wie das letzte Seufzen einer aussterbenden Spezies an. Lustig auch die Begründung für den Abbruch der Fastenkur vorletzte Woche in Berlin: Die Bäuerinnen mussten zu ihren Familien zurück. Tatsächlich sind häufig sie es, die sich neben Kindern und Küche auch um die Kühe kümmern, in der Regel ohne Wochenenden oder Urlaub. Das ist Alleinlage in jeder Beziehung.

Grundlage der Überproduktion ist außer intensivem Futteranbau auch das Verfüttern von südamerikanischem Sojaschrot und asiatischem Tapiokamehl. Für dessen Anbau wird Urwald vernichtet und den Menschen vor Ort die Lebensgrundlage entzogen. Die Alternative dazu wäre die ökologische Milchviehhaltung: Der Biobauer erzeugt die Futtermittel selbst, er hat weniger, aber hochwertigere Milch, gesündere und langlebigere Kühe und bekommt momentan auch einen angemessenen Preis für sein Produkt, weil die Nachfrage groß ist. Damit das so bleibt, hier mein Appell an die taz-Leserschaft: Nutzt euer Nachfragemonopol, ihr bestimmt über Angebot und Preis.

Mein Göttergatte hat eine ganz eigene Einstellung zu dem Thema. „Milch ist eigentlich für Kälber“ ist seine Antwort auf alle Fragen zum ernährungsphysiologischen Wert von Milch, dem Allergieauslöser Nummer eins. Eine Einstellung, die ich nicht teile. Und so versorge ich unsere Familie mit wenn auch nicht selbst, so doch ökologisch produzierten Milchprodukten. Selbst mein Bauer greift in schwachen Momenten darauf zurück.

■ Die Autorin ist Biobäuerin in Mecklenburg Foto: privat