Blick nach vorn im Zorn

Wilhelm Knabe ist einer der Grünen-Gründer – doch beim Fest-Kongress zum 25. Geburtstag ist er nur Zaungast

Wilhelm Knabe einen Grünen Alten zu nennen, ist keine Beleidigung: Am achten Oktober feierte der gebürtige Sachse seinen 81. Geburtstag. Zuvor war Knabe Bürgermeister der schwarz-grünen Ratskoalition in Mülheim an der Ruhr, grüner Bundestagsabgeordneter und in den achtziger Jahren Parteisprecher der jungen Landes- und Bundespartei. Und als sich die Grünen – heute genau vor 25 Jahren – als Partei gründeten, da saß der promovierte Forstwirt auf dem Präsidium der Gründungsversammlung. Im Sommer 2004 erinnerte er auf einem Festvortrag der Heinrich-Böll-Stiftung NRW daran, wie es ihm in Karlsruhe gelang, die streitenden Flügel zu beruhigen. Doch Ende Januar, auf dem offiziellen Kongress zum Parteijubiläum in Berlin, soll das einzige verbliebene Parteimitglied des Gründungspräsidiums nicht gehört werden.

„Der Berliner Kongress verkürzt die Grüne Partei auf die Regierungsriege“, sagt Knabe verbittert. Die veranstaltende nationale Heinrich-Böll-Stiftung setze auf Leute wie Jürgen Trittin oder Reinhard Bütikofer, statt die Gründergeneration zu Wort kommen zu lassen. Deshalb hat Knabe Mitte Dezember an Ralf Fücks, den Geschäftsführer der Böll-Stiftung, geschrieben, hat sich bei seinem Bundesvorsitzenden Bütikofer beklagt und auch beim Grünen Landesvorstand in NRW. „Bis heute habe ich von Fücks noch keine Antwort bekommen“, ärgert sich Knabe – nicht nur bei der Kongressvorbereitung vermisst der Mülheimer in seiner Partei den Gedanken an Nachhaltigkeit: „Wir brauchen immer noch ein Wirtschaftsmodell, das nicht auf Wachstum basiert“, sagt Knabe, das sei auch die Hauptmotivation der Gründer gewesen, nicht das „an der Macht bleiben“ der heutigen Führung: „Wir sind doch nur ein Teil eines weltweiten Projekts“, sagt Knabe.

Auch die Böll-Stiftung in Berlin denkt international: „Die grüne Internationale ist ein wichtiges Thema des Kongresses“, sagt Sprecherin Vera Lorenz. Die Stiftung wolle aber auf den vier Podien mit den jetzt Aktiven darüber sprechen, wo es hingehen solle. Wilhelm Knabe erhalte eine persönliche Antwort von Fücks – der Berliner Kongress sei eben kein historischer, keine „Nabelschau“. Ralf Fücks sagt, er habe Knabes Brief nach der Weihnachtspause erhalten: „Ich war gerade dabei, ihm zu schreiben“, so Fücks. Es handele sich aber nicht um einen „unfreundlichen Akt“, sondern um ein anderes Konzept: „Wir wollen keinen Nostalgiekongress machen, wie wollen aktive Grünen jenseits der Tagespolitik zu grünen Grundsätzen befragen.“ Trotzdem sei die Anfangsgeneration eingebunden. So spreche der Philosoph und Schriftsteller Carl Amery, ein Gründer der bayrischen Grünen und einer der „brillantesten Köpfe für den ökologischen Gründungsbegriff“, so Fücks.

Wilhelm Knabe beruhigt das nur wenig. Er sei ja einst Amerys Stellvertreter, „Huckepack“ nannten das die Junggrünen, bei den Europawahlen 1979 gewesen. Mit der weiteren innergrünen Entwicklung der Partei habe Amery doch nichts zu tun gehabt: „Der war nie auf einer Bundesdelegiertenkonferenz“, meint Knabe – übrigens bis heute ein höchst aktiver Grüner, Gründer. Derzeit kümmert er sich um den Aufbau einer Seniorenorganisation, die „Grünen Alten“. Und deshalb wird er am 28. Januar sowieso in Berlin sein. Er nimmt dann teil an einer Tagung der Demographiekommission der Partei. Auch den Kongress mit dem Motto „Blick zurück nach vorn“ will der Ehrenvorsitzende der Mülheimer Grünen einen Besuch abstatten: „Wenn sie mich reinlassen.“ CHRISTOPH SCHURIAN