Begeisterung ist die beste Schule

Ein Musikinstrument lernt man am besten in der Gruppe und möglichst früh. Nach diesem Motto arbeitet die Offene Jazz Haus Schule Köln seit 25 Jahren. Mit großem Erfolg und fast ohne Zuschüsse

„Wir Kulturleute dürfen uns nicht gegenseitig ausspielen“

Von Jürgen Schön

Der jüngste Kursteilnehmer war 18 Monate alt. Jetzt wurde das Einstiegsalter in die Droge Musik drastisch gesenkt. Im neuen Eltern-Kind-Kurs dürfen Kinder mitmachen, die gerade ein halbes Jahr alt sind. Warum so früh? Wenn Rainer Linke, Geschäftsführer der Offenen Jazzhaus Schule Köln, Gründe nennt wie „Musik bildet die ganze Persönlichkeit: emotional, sozial, intellektuell, motorisch, kreativ“, tut er das so begeistert, dass die abstrakten Begriffe plötzlich leben. Vielleicht ist es diese Begeisterung, die er und seine 100 Musiklehrerkollegen verbreiten, die die Schule in der Eigelsteintorburg zum Erfolgsmodell machten. Am Wochenende wurde der 25. Geburtstag gefeiert.

In den Siebzigern gab es in Köln eine Gruppe junger Musiker und musikbegeisterter Menschen, die „neue innovative Strömungen in der aktuellen Populären Musik“ präsentieren und weitergeben wollte. Doch weder in der etablierten Konzertszene noch in Schule und Hochschule fanden sie zunächst Gehör. Bald teilte sie sich in zwei Vereine. Der eine betreibt heute den Stadtgarten, der andere die Offene Jazz Haus Schule. Personell, inhaltlich und organisatorisch sind sie bis heute eng verbunden. Dass sie heute von Politik, Verwaltung und staatlichen Musikschulen anerkannte Institutionen sind, „darauf bin ich stolz“, sagt Linke.

Stolz ist er auch, alle Punkte erfüllt zu haben, die bei Bezug des alten Stadttors vor zehn Jahren mit der Stadt vereinbart wurden. „Unser Unterrichtsbetrieb, der etwa 80 Prozent unserer Aktivitäten ausmacht, kommt ohne Zuschüsse aus.“ Rund 1.200 Menschen – vom Kind bis zur „Generation 50 plus“ – lernen hier jährlich ein Instrument im Einzelunterricht oder in einer Band. Die Kursgebühren liegen zwischen 22,40 und 55 Euro im Monat. Möglich sind diese relativ geringen Beträge nur, weil das Risiko auf die Honorardozenten abgewälzt wird, gibt Linke zu. Geboten werden derzeit, der Nachfrage entsprechend, vor allem Gitarre, Klavier, Saxofon und Schlagzeug in „Popularmusik“.

Kern des Kölner Modells ist der Gruppenunterricht. „Wir vermitteln den Kindern dabei die Grundkenntnisse für mehrere Instrumente. Wichtiger aber ist das Entwickeln gemeinsamer Projekte, Bewegung und Gesang“, erklärt Linke. Wenn die Kinder ihren „musikalischen Ausdruck“ gefunden haben, können sie Einzelunterricht für ein Instrument bekommen, sollten aber die Gruppe beibehalten. „Diese Unterrichtsform wird jetzt auch an den Musikhochschulen gelehrt“, freut sich der 54-Jährige. Dort habe man Kinderpädagogik lange vernachlässigt. Neben Unterricht und Vermietung der Räume für Familienfeiern sind soziokulturelle Projekte das dritte Standbein. Sie werden für Kinder und Jugendliche in sozialen Brennpunkten angeboten, die dabei eigene Musik- und Tanzstücke aufführen. „Schäl Sick Sistas“ hieß etwa ein Mädchenprojekt. „In der Musik können sich alle wiederfinden und ihre eigene Kultur einbringen. Das stärkt das Selbstbewusstsein“, nennt Linke das Erfolgsrezept. Hierfür gibt es auch staatliche Projektzuschüsse, das Land zahlt 80 Prozent für eine Verwaltungskraft.

Eine solche Unterstützung wünscht sich Rainer Linke eigentlich auch von der Stadt Köln. Öffentlich fordern würde er das jedoch nie. „Das ginge nur auf Kosten einer anderen kulturellen Institution. Wir Kulturleute dürfen uns aber nicht gegenseitig ausspielen.“ Das meint er auch in Hinsicht auf die städtische Rheinische Musikschule. Zwar war die Jazz Haus Schule seinerzeit eine bewusste Antwort auf vorhandene Lücken in deren Angebot. Heute arbeiten beide Institutionen allerdings verstärkt zusammen.

Hätte Linke einen Wunsch an die Stadt frei, wäre es der nach finanzieller Unterstützung für den Erhalt der Eigelsteintorburg. „Die ist ein stadtbildprägendes Denkmal“, sagt der Geschäftsführer. Bislang habe man, streng nach Vertrag, jedes Jahr 25.000 Euro für Instandhaltungskosten zurückgelegt. „Diesen Betrag würden wir gerne senken.“