Putzen werden immer billiger

Die Christliche Sozialhilfe bringt arbeitslosen Frauen das Haushalten bei. Die „Wäschviewer“ verdienen 1,53 Euro pro Stunde zusätzlich zum Arbeitslosengeld II. Doch Hilfskraft bleibt Hilfskraft

Von Silke Freude

Martina Ofzareck glaubt, dass es diesmal geklappt hat. Zuversicht strahlt aus ihrem Lächeln. „Ich warte auf eine Zusage von der Wäscherei im Krankenhaus Weyertal“, erzählt die große, schlanke Frau. Im August 2003 fing sie bei den „Wäschwievern“ an. Seither hofft sie, bald vom Ein-Euro-Job in eine richtige Anstellung zu wechseln. Unter der Ägide des Fortbildungsträgers hat sie Erfahrung in vielen Bereichen gesammelt: Als Buffetkraft, als Köchin, Raumpflegerin, Wäscherin. Genau wie ihre 15 Kolleginnen, die nach dem „Kölner Modell“ vom JobCenter zu den „Waschfrauen“ vermittelt wurden. Sie sind fast alle allein erziehende Mütter und haben vorher von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe gelebt.

„Wir bekommen oft Anrufe mit der Bitte, im Notfall einzuspringen. Zum Beispiel vom Jugendamt“, erzählt Magdalena Hemme, die Leiterin des Projekts „Wäschwiever“. Martina Ofzareck hat bei so einem Einsatz etwas mehr als ein Jahr mitgemacht. „Der Vater war selbstständig, die beiden Kinder gingen noch zur Schule. Und dann starb die Mutter. Es gab keinen mehr, der den Kindern Essen machte.“

Sie ist schon ein wenig stolz auf ihre Leistung. „Wir haben da nicht einfach nur zwei Stunden gekocht, sondern auch mit den Kindern besprochen, was sie am nächsten Tag essen wollen. Sie sollten sich Gedanken darüber machen.“

Auch einige ältere und bettlägerige Männer werden betreut. Ohne Hilfe können sie ihre Wohnung nicht mehr sauber halten. Außerdem putzen die Frauen alle Einrichtungen der Christlichen Sozialhilfe Köln (CSH) und machen für öffentliche Großveranstaltungen im Stadtteil das Buffet.

Die CSH ist Träger des Projektes. Seit 40 Jahren ist der Verein im Stadtteil Mülheim aktiv. Die „Wiever“ wurden 1999 gegründet und haben mittlerweile 45 Kunden. Sie haben ein paar Räume im Keller des CSH-Hauses in der Knauffstraße im Hacketäuerviertel, einem der am meisten heruntergekommenen Quartiere überhaupt. Das „Wiever-Bistro“ im Keller ist Treffpunkt fürs Frühstück und gleichzeitig Einsatzzentrale. Schon 1997, als die ersten JobCenter eröffneten, entstand die Projektidee. Gemäß dem „Kölner Modell“ sollen Leistungsbezieher fit gemacht werden für den ersten Arbeitsmarkt. Der kölsche Name, der manchem vermutlich übel aufstößt, soll einen gewissen Stolz vermitteln: der Versuch, traditionell weiblichen Tätigkeiten einen Wert zu geben. Einen Wert, der sich in Euro und Cent ausdrückt.

In den ersten Jahren war die Vermittlungsquote der „Wiever“ bemerkenswert: Sie lag bei 70 Prozent, sagt CSH-Leiter Fritz-Rolf Sonnen. Mittlerweile sind es nur noch 30 bis 40 Prozent. „Seit etwa anderthalb Jahren macht sich die wirtschaftliche Stagnation auch bei uns deutlich bemerkbar“, so Sonnen.

Die Frauen verdienen nur 1,53 Euro die Stunde, die zum Arbeitslosengeld II – früher zur Sozial- oder Arbeitslosenhilfe – hinzukommen. Dennoch ist die Nachfrage nach freien Stellen bei den Wievern ungebrochen. „Wir haben bei der Arbeitsgemeinschaft von Arbeitsagentur und Sozialamt eine Aufstockung des Qualifizierungsprojekts auf 40 Stellen beantragt. Und ich glaube, unsere Chancen stehen ganz gut“, erklärt CSH-Leiter Sonnen.

Innerhalb eines halben Jahres machen die Frauen zwei Praktika, möglichst in einem Unternehmen am ersten Arbeitsmarkt. Währenddessen lernen sie professionelles Haushalten: Immer donnerstags steht Hauswirtschaftsunterricht auf dem Lehrplan. Individuell werden bei Bedarf Sprachkurse und bei Eignung auch Computerkurse angeboten. „Hier arbeiten viele Einwanderinnen. Darunter sogar Akademikerinnen, die wegen fehlender Sprachkenntnisse keine Stelle kriegen“, berichtet Magdalena Hemme. „Denn die Sprache zu beherrschen, ist die allerwichtigste Voraussetzung am Arbeitsmarkt. Das lernen die Frauen hier sehr schnell, durch den Kurs und die Zusammenarbeit im Team.“

Trotz aller Schulungen: Die Teilnehmerinnen erlangen hier keinen Berufsabschluss. Nur ein Zertifikat bekommen sie in die Hand, das die vermittelten Kenntnisse aufführt. Werden sie danach selber nicht aktiv, bleiben sie auch bei erfolgreicher Vermittlung immer noch Hilfskräfte – „Wäschwiever“ mit „Leichtlohn“.

„Ich empfehle jeder Frau, die solch eine Anqualifizierung mitmachen will, sich vorher genau zu überlegen, ob das wirklich ihren Talenten und Neigungen entspricht“, mahnt Wiltrud Derks, kommissarische Geschäftsführerin des Kölner Arbeitslosenzentrums KALZ. „Auch die Nachhaltigkeit der Maßnahme ist zu prüfen. Die Frauen sollen ja hinterher von ihrer Arbeit leben können.“ Eine Frau, die sich mit 40 auf Hauswirtschaft spezialisiere, dann in Privathaushalten putzen gehe und davon mit 50 einen kaputten Rücken hat, habe durch das Projekt „Wäschwiever“ wenig gewonnen.