Mit Zulawskis „Nachtblende“ starten im B-Movie die Midnight Movies
: Spot auf die verschlissene Diva

Midnight Movies – so wurden in den USA in den 60er und 70er Jahren Filme jenseits des guten Geschmacks wie George A. Romeros Night of the Living Dead oder David Lynchs Eraserhead genannt, die dort oft monatelang in kleinen Undergroundkinos liefen. Dieses ganz und gar nicht auf Familienfreundlichkeit angelegte Konzept greift das B-Movie nun auf. An jedem dritten Samstag im Monat gibt es in Hamburgs kleinstem Kino ab jetzt einen Mitternachtsfilm.

Den Auftakt bildet Nachtblende von Andrzej Zulawski. Diese wilde Mischung aus Psychogramm und Melodram war 1975 der erste in Frankreich gedrehte Film des 1940 geborenen polnischen Regisseurs, in dem dessen Obessionen – etwa seine Neigung zum Exzess – schon deutlich sichtbar sind. Zulawski macht Autorenkino par exellence, aber eben kein gepflegtes. In einem Interview hat er einmal bekannt: „Die Masse zu befriedigen, ist das Bedürfnis des Kinos dieses Planeten. Was mich angeht, ich mache keine Zugeständnisse an die Zuschauer, diese Opfer des Lebens, die glauben, ein Film diene nur dem Vergnügen, und die nichts über ihre eigene Existenz wissen.“

Worte, aus denen die Kompromisslosigkeit dessen spricht, der weiß, dass er bald zum Außenseiter werden wird. Und ein solcher ist Zulawski, der im Katalog des Filmfests Oldenburg, das ihm 2004 eine Retrospektive widmete, als „Outlaw des Weltkinos“ beschrieben wird, denn auch immer mehr geworden. Was in Frankreich jedoch ausschließt, dass einer wie er immer wieder die jeweiligen Stars der Stunde für seine Filme bekommen kann: Isabelle Adjani für Possession, Valerie Kaprisky für Die öffentliche Frau und Sophie Marceau für Meine Tage sind schöner als deine Nächte bis hin zu La fidélité, Zulawskis bislang letztem, 2000 fertig gestellten Film.

Mitte der Siebziger war es Romy Schneider, die nicht nur ein Star war, sondern bei Nachtblende für die Rolle der gescheiterten Schauspielerin Nadine Chevalier, die inzwischen nur noch billige Pornofilme dreht, die perfekte Besetzung. Und die in Zulaswki zudem einen Regisseur hatte, der bei der Arbeit immer bis zum Äußersten ging. Sein Alter Ego im Film ist der Fotograf Servais Mont (Fabio Testi), der sich in Nadine verliebt und versucht, sie in einer großen Theaterproduktion unterzubringen. Verkompliziert wird dies und beider Liebe zueinander außer von einer launischen männlichen Theaterdiva auch von einem sich selbst langsam vergiftenden Ehemann (Jacques Dutronc).

Von heute aus gesehen, scheint die enorme emotionale Wucht von Nachtblende auf Zulawskis konsequente Inszenierung zurückzugehen. Im Original L‘important c‘est d‘aimer (Der Titel von Christopher Franks Romanvorlage „La nuit américaine war gerade anderweitig vergeben worden) betitelt, ist Romy Schneider hier am Rand der Selbstentblößung zu sehen, dabei aber so stark und würdevoll wie in kaum einem anderen ihrer Filme.

Keine Zugeständnisse an den Zuschauer zu machen, das heißt für Andrzej Zulawski nicht, dem Publikum oder gar den Menschen im allgemeinen gegenüber gleichgültig zu sein, im Gegenteil: Wenn seine Kamera in Nachtblende die Leidenschaften und Obsessionen seiner Figuren so weit ausleuchtet, wie dies nur sehr wenige Filmemacher neben ihm bisher getan haben, dann erhebt er sich nie über seine Figuren, sondern fühlt spürbar mit ihnen. Als Zuschauer sollte man sich – auch auf die Gefahr emotionaler Bereicherung hin – unbedingt darauf einlassen. Und das am besten zu später Stunde. Im Kino. Eckhard Haschen

Sa, 15.1., 0.15 Uhr, B-Movie