Jeden Abend eine Geschichte

In der Werbung wird bekanntlich viel Lärm gemacht. Doch Karsten Rzepka, Chef der Agentur Peix, hat eine stille Leidenschaft: Er zeichnet mindestens einen Tag in der Woche und gibt eine Kunstreihe namhafter Illustratoren heraus

Die Agentur sitzt in einem Kreuzberger Gewerbehof, der mit seinen Keramikkacheln zwar schön anzusehen, dafür aber hochsicherheitsmäßig abgeschottet ist. So wie bei Dr. No bei James Bond, der die Weltmacht an sich reißen will. Hat man die erste Pforte samt Lichtschranke passiert, muss man sich am Aufzug noch einmal per Voicebox anmelden. Der Lift öffnet sich erst, wenn von oben das „Go“ kommt. Das Innenleben der Agentur Peix indes sieht flauschig aus. Die Büroräume sind durch halb transparente Glaskacheln voneinander getrennt; im vierten Stock des Hinterhofs gibt es viel Licht.

Peixe heißt Fisch auf Portugiesisch. Agenturchef Karsten Rzepka fand den Namen gut, warum, weiß er nicht mehr genau. Er mag Tiere. Vielleicht, weil sie so gut wie kein Geräusch machen. In der Werbung wird bekanntlich viel Lärm gemacht. Karsten Rzepka hingegen wirkt ruhig und freundlich.

Die Farbe seines Oberhemds – Apricot-Orange – wiederholt sich in den Wellenlinien auf dem Cocktailglas, das Peix, passend zur Tablettenschachtel, gerade für einen Kunden designt hat. Ausgefuchste Corporate Identity oder Zufall? Der 43-Jährige versichert lachend, dass es Zufall ist.

Die Firma Peix, „Agentur für Design und Kommunikation“, besorgt das Erscheinungsbild großer Pharmahersteller, von der Pillenpackung über den Kugelschreiber bis zum Internetauftritt. Berlin-Chemie, Sanofi-Synthelabo und Schering gehörten schon zu den Peix-Kunden. Die 1994 von Rzepka gegründete Firma ist gut im Geschäft, sie fährt steigende Umsätze und beschäftigt achtzehn feste Mitarbeiter. Der Chef könnte das Klischee vom schlimmen Werber erfüllen, könnte koksen, sich zynisch geben.

Tut er aber nicht. Der Grafiker mit dem ergrauten Pagenkopf hat eine andere Leidenschaft: das Zeichnen. Er war schon in der Schule immer der, der gezeichnet hat, sagt er. Und wohl auch der, der anders war, damals in der DDR. In Stollberg im Erzgebirge hat er Kirchenarbeit gemacht, hat einen Baptisten-Jugendkreis geleitet, hat sich der FDJ und der NVA verweigert, hat trotz Hochbegabung keinen Grafikstudienplatz bekommen, nicht an der Kunsthochschule in Berlin-Weißensee, nicht auf der Burg Giebichenstein in Halle. „Ich war in der Endrunde“, erinnert er sich, „war bei den letzten vier von vierhundert Bewerbern.“ Dann kam sein Lebenslauf aufs Tapet und prompt die Ablehnung. Rzepka war nicht mit dem DDR-Bildungssystem kompatibel. Er hatte das Abitur an der Abendschule gemacht, danach eine Lehre zum Baufacharbeiter, und als es nach der Zeit als Bausoldat für ihn nicht mal auf dem Bau Arbeit gab, ließ er sich zum Hochdruckkesselwart umschulen. Dass er vom Kessel weg in die Werbeabteilung des Strumpfkombinats ESDA ins sächsische Thalheim kam, verdankte er einem Freund. Bei seinem dritten Studienanlauf klappte es dann doch: An der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin-Schöneweide studierte Rzepka „in die Wende hinein“. Danach kam der Erfolg.

Zurück zur Leidenschaft: „Ein gewisses Quantum“ müsse er immer zeichnen, sagt er, sonst fühle er sich nicht wohl. Einen Tag in der Woche nimmt sich Karsten Rzepka dafür frei, zieht sich zurück vom Lärm. Der siebenjährigen Tochter Charlotte zeichnet er jeden Abend eine Geschichte.

Doch Rzepka lebt die Lust am Bild nicht nur daheim aus, er hat mittlerweile eine „zweite Geschäftsidee“ daraus gemacht: die „edition peix“, eine kleine Kunstreihe, gestaltet von namhaften Illustratoren: Keramikuntersetzer, Tabletts, Lesezeichen, Kalender und ein Kinderbuch. Mit den Kalendern fing alles an. Als Kundengeschenk ging der erste Riesenkalender 1998 raus. Ein Freund mit eigener Druckerei unterstützte Rzepka, die Illustratoren rekrutierte er „aus dem Bekanntenkreis“. Viele bekannte Namen sind dabei: ATAK, Nadia Budde, Kitty Kahane, CX Huth, Klaus Ensikat. Über die Zusammenarbeit mit Adolf Born aus Prag, dem tschechischen Altmeister, ist Rzepka besonders stolz.

Der Wandkalender 2005 ist nicht zu übersehen: 33 Zentimeter breit und 1 Meter lang, mit kreischbunten oder sachte zurückgenommenen, skurrilen, poetischen Bildern, die schwarz unterlegt und dezent mit Gold abgesetzt sind. Jedes Kalenderblatt ist von einem anderen Künstler illustriert, und so fallen die Bildwelten zum Thema „Große Reise“ sehr verschieden aus: ATAK setzt einen kleinen Jungen in ein Zimmer, der grinsend auf ein exotisches Landschaftsbild schaut. Bei Klaus Ensikat fliegt ein Schnauzbartträger im Koffer über New York. Kitty Kahane lässt ein Gangster-Liebespärchen im roten Cabriolet fahren.

Vor kurzem feierte die Agentur Peix das einjährige Bestehen ihrer „edition“. Ob er sich einen Traum erfüllt habe? „Ich bewege mich ja ständig zwischen Traum und Geschäft“, wehrt Karsten Rzepka ab. JANA SITTNICK

Informationen: www.edition-peix.de