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Off-KinoFilme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Kiss Me Deadly (Rattennest)“ (OF), 14. 1. im Filmkunsthaus Babylon 2„Ein Riss in der Welt“, 16. 1. im Z-inema

Er hasse Außenaufnahmen, denn da gäbe es einfach zu vieles, das man nicht kontrollieren könne, hat Robert Siodmak einmal gesagt. Kein Wunder also, dass sich der deutschstämmige Regisseur als Meister der artifiziellen Studiowelten Hollywoods erwies und sich zu einem der großen Stilisten des Film noir entwickelte. Zu Siodmaks bekanntesten Filmen gehört „The Spiral Staircase“ (Die Wendeltreppe, 1945), ein den Noir-Filmen stilistisch ähnlicher „Old-dark-house-“ Thriller um einen psychopathischen Mörder mit ehrbarer Fassade, der um die Jahrhundertwende bevorzugt behinderte Frauen umbringt. Siodmak und sein Kameramann Nicholas Musuraca, ein großer Meister des „Low key“-Lichts, setzen die verwinkelten Korridore, die alptraumhaften Zimmerfluchten mit den endlos vielen Spiegeln und die Treppe, die in den finsteren Keller des Hauses führt, effektiv in Szene. Gewitter und Dunkelheit steigern die beunruhigende Atmosphäre des Films noch, dessen berühmteste Einstellungen die Kamerafahrten auf das Auge des Psychopathen sind, in dem sich seine Mordopfer spiegeln.Als überaus künstlich erweist sich auch Robert Aldrichs Independent-Produktion „Kiss Me Deadly“ (Rattennest, 1955), ein später Film noir, in dem die Welt noch erheblich schwärzer aussieht als in den Klassikern der Vierzigerjahre. Der Detektiv Mike Hammer stolpert stoisch und egozentrisch durch einen Fall, den er nicht versteht – und auch gar nicht verstehen kann, weil der Plot ins Absurde getrieben ist: Alle möglichen Leute jagen hinter einem glühenden Atomball in einem kleinen Köfferchen her. Die Inszenierung der Geschichte machte seinerzeit großen Eindruck auf die späteren Nouvelle-Vague-Regisseure – genau genommen ist auch Aldrichs Film bereits eine Genre-Reflexion, eine Art Meta-Film: Mike Hammer muss sich nämlich nicht nur mit fiesen Gangstern herumplagen, sondern auch mit Gedichtbänden, Caruso-Schallplatten und modernen Kunstsammlungen.Ein ungemein leichtfertiger Umgang mit atomaren Sprengkörpern zeichnet auch die Protagonisten in Andrew Martons Science-Fiction-Abenteuer „Ein Riss in der Welt“ (1964) aus: Der bereits tödlich erkrankte Dr. Sörensen (Dana Andrews) feuert eine Atomrakete auf das Erdinnere ab, weil er hofft, das Magma des Erdkerns als Energiequelle nutzen zu können. Dummerweise entsteht jedoch der titelgebende Riss, den Sörensens Freund und wissenschaftlicher Widersacher Rampion (Kieron Moore) zu stopfen sucht, in dem er noch eine Atombombe abwirft – diesmal inmitten eines Vulkans. Am Ende haben die beiden ein Stück Erde weg gesprengt, das als neuer Mond ins Weltall segelt. Das alles klingt nach Trash, ist jedoch eher ein Wissenschaftler-Melodram, komplett mit fescher Blondine, merkwürdigen Zeitabläufen und ganz passablen Spezialeffekten von Eugene Lourié. Das Finale ist schließlich ein schönes Beispiel dafür, warum man im Gefahrenfall den Aufzug lieber meiden sollte. Dass der Film von der Gesellschaft Security-Pictures produziert wurde, erscheint da als der reine Hohn … LARS PENNING

„The Spiral Staircase“ (OF), 14. 1. im Arsenal 2

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