Bushs schüchterner Heimatfrontkämpfer

Michael Chertoff, designierter US-Heimatschutzminister, ist einer der Architekten des „Kriegs gegen den Terror“

Einen Namen gemacht hat sich Michael Chertoff als Mafiajäger in New York – und als Architekt des umstrittenen „Patriot Act“, jenen weitreichenden Antiterrorgesetzen, die nach dem 11. September hastig vom Kongress verabschiedet wurden. Gemeinsam mit dem scheidenden Justizminister John Ashcroft zimmerte er damals den rechtlichen Rahmen für die Heimatfront in George W. Bushs Krieg gegen den Terror. Nun belohnte Bush den Mann hinter den Kulissen mit dem Posten des Heimatschutzministers.

Der 51-jährige Chertoff war zuletzt Richter am Bundesberufungsgericht in Philadelphia und leitete zuvor die Strafverfolgungsbehörde des Justizministeriums. Er macht einen freundlichen und zurückhaltenden, fast scheuen Eindruck. Vor Mikrofonen redet der asketisch wirkende Mann mit auffällig hagerer Gestalt und müdem Gesicht stets leise. Doch im Gerichtssaal, so wird berichtet, kann er sich zum aggressiven Ankläger wandeln.

Chertoff, den Bush als „praktischen Organisator und brillanten Denker“ lobt, studierte in Harvard und arbeitete sich anschließend beharrlich nach oben. Er lernte sein Handwerk beim Bundesrichter William Brennan am Obersten Gerichtshof und dem ehemaligen New Yorker Chefankläger Rudy Giuliani, der sein politischer Förderer wurde. Als Staatsanwalt kämpfte er gegen die organisierte Kriminalität und brachte die Bosse der fünf wichtigsten Mafiafamilien in New York hinter Gitter. Später, Mitte der 90er, untersuchte er als Sonderermittler des US-Senats die „Whitewater“-Immobilien-Affäre der Clintons. Liberale sahen in ihm damals einen Handlanger der Republikaner.

Heute begrüßten führende Demokraten im Kongress Bushs Wahl. Senator Jon Corzine aus Chertoffs Heimatstaat New Jersey lobte den designierten Minister als „einen der fähigsten Männer“. Und Joe Lieberman, dessen Idee die Heimatschutzbehörde ursprünglich war, erklärte, er glaube nicht, dass Chertoffs kontroverse Rolle ein Hindernisgrund für den neuen Job sei.

Bürgerrechtler nehmen ihm jedoch übel, dass er der Bundespolizei FBI erweiterte Abhörbefugnisse erteilte, nach „9/11“ die Massenverhöre tausender Araber anordnete und die Grundlagen legte für die Gefangenenkategorie der „feindlichen Kämpfer“, die ohne Anklage und Rechtsbeistand unbefristet interniert werden können. „Ein Problem für die nationale Sicherheit“ nannte ihn daher die Amerikanische Bürgerrechtsunion.

Obwohl seine aggressive Politik unter Konservativen Gefallen findet, reagierten selbst sie auf Chertoffs Nominierung als Chef der Mammutbehörde überrascht. Bislang steht der Riesenapparat überwiegend in der Kritik: kein Geld, kein Personal und unfähig, die gravierenden Sicherheitslücken des Landes zu schließen. „Rätselhaft“ nennt Norman Ornstein vom konservativen American Enterprise Institute Chertoffs Wahl. „Er ist ein kluger Kopf, doch ihm fehlt jede Erfahrung, große und schwerfällige Institutionen zu führen.“

MICHAEL STRECK