Handverlesene Bohnen für schwule Hedonisten

Das neu eröffnete „Coffee-Store“ am Kölner Appellhofplatz rühmt sich, seinen Gästen fair gehandelten Kaffee zu kredenzen. Der Standort ist gut gewählt, ist doch „der Kölner“ dem ökologisch unbedenklichen Genuss nicht abgeneigt

Köln taz ■ Die Luft kriecht nicht von selbst in die Milch. Bis aus der weißen Flüssigkeit luftige Gischt entsteht, muss der Barista eigenhändig ordentlich Luft hinein pumpen. „Bei uns werden nicht nur Knöpfe bedient, alles ist selbst gemacht, überall steckt Liebe drin“, sagt Marc Friedrich, Inhaber des neu eröffneten Coffee-Store am Kölner Appellhofplatz. Anders als der Großteil der Konkurrenz setzt die Firma auf Ökologie und fairen Handel.

Umweltfreundlich kommt schon die Verpackung des Bohnenpulvers daher. Eingewickelt ist das duftende Pfund in Backpapier. „Plastik gibt es hier nicht“, sagt Friedrich. Aber die Kaffeeherstellung im Einklang mit Mensch und Natur beginnt natürlich schon viel früher, auf den firmeneigenen Anbaufeldern in den Kaffeeländern der Welt. „Alle Bohnen werden per Hand verlesen, es gibt keine Maschinen, die Tierkadaver und das ganze Gehölz mitnehmen“, erläutert der Kaffeehausbesitzer.

Alle Mitarbeiter im Ernteland werden laut Friedrich fair bezahlt. Deshalb kann sich der Kunde auch sicher sein, sich gerade nicht bei einem Tässchen „Folterkaffee“ zu entspannen, wie Friedrich die Getränke einiger Mitbewerber bezeichnet.

In Mannheim, Kassel, Bielefeld und Hamburg gibt es The Coffee Store schon länger. Die Kölner können sich über natürlichen „Nougaccino“ für 2,30 Euro und faire „Frozen Latte“ für 3,50 Euro deshalb freuen, weil sie als Menschen bekannt sind, die dem ökologisch unbedenklichen Genuss nicht abgeneigt sind. „Eine Standortanalyse ergab, dass Kölner sich gut ernähren, über ein überdurchschnittliches Einkommen verfügen und hedonistisch veranlagt sind“, so Friedrich.

Vor allem die große Gruppe Homosexueller mache Köln zu einer Genießerstadt: „Viele Homosexuelle achten sehr auf sich, versuchen, bewusst zu leben, sie haben oft nichts zu vererben und verwenden ihr Geld aus diesem Grund für einen hedonistischen, aber gesunden Lebensstil.“ Was nicht heißen soll, dass, wer direkt neben dem WDR zum Stammkunden wird, sein Erbe verpulvern muss. Marc Friedrich rühmt sich nicht nur des fairen Handels, der Ökologie und des guten Geschmacks, sondern auch der Preise wegen: „Die Konkurrenz hat sich schon beschwert, dass unsere Latte Macchiato um die Hälfte billiger ist.“

Um so günstig sein zu können, verzichtet Friedrich auf Anzeigenwerbung. Denn dafür, so gibt der Inhaber des mit 440 Quadratmetern Fläche größten Coffee-Store in Europa zu, sei kein Geld da. Was in Friedrichs Augen nicht weiter tragisch ist. Denn: „Qualität setzt sich im Laufe der Zeit auch durch Mundpropaganda durch.“ Claudia Lehnen