„Es ist schon ein sehr schönes Gefühl“

Die Stimmen aus Deutschland sind entscheidend für den Erfolg der kurdischen Parteien, sagt Ahmad Berwari

taz: Herr Berwari, was bedeutet die Wahl im Irak für die in Berlin und Deutschland lebenden Iraker?

Ahmad Berwari: Eine eventuelle Stabilisierung der Lage im Irak – und eine schnelle Rückkehr in die Heimat. Alle Iraker, zu denen wir Kontakt haben, sind begeistert. Sogar euphorisch. Für sie ist das die erste Gelegenheit, frei und unabhängig von Zwängen eine neue irakische Regierung zu wählen.

Wie entscheidend sind die Stimmen der Wählenden aus Deutschland?

Sehr wichtig, vor allem für die Liste meiner Partei. Nach unserer Einschätzung sind etwa 80 Prozent der in Deutschland lebenden Iraker Kurden – und damit unsere potenziellen Wähler. Aber auch für die anderen Parteien. Denn die meisten Auslandsiraker haben den Irak aus politischen Gründen verlassen und sind politisch motiviert. Sie sind Sympathisanten, Anhänger oder Mitglieder der ehemaligen irakischen Opposition, die jetzt bei den Wahlen in vielen Listen vertreten ist.

Das heißt, dass die Wahlbeteiligung unter den Exilirakern sehr hoch sein wird?

Der Wille ist da. Das Problem sind technische Schwierigkeiten, die vielleicht verhindern, dass wirklich alle Iraker ihre Stimme abgeben können. Hier in Deutschland leben etwa 85.000 Iraker. Darüber hinaus gibt es etwa 15.000 bis 20.000 Iraker in Deutschland, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und nach dem irakischen Gesetz trotzdem an den Wahlen teilnehmen dürfen. Nach Verhandlungen mit der deutschen Regierung und deren später Entscheidung, die Wahlen zuzulassen, wurde beschlossen, nur in vier Städten Wahlzentren zu eröffnen – das ist eindeutig zu wenig.

Gewählt werden kann lediglich in Berlin, Mannheim, München und Köln.

Iraker, die mehr als 100 Kilometer von diesen Städten entfernt leben, können kaum zum Registrieren und dann noch einmal zum Wählen dorthin fahren. Das geht aus finanziellen und aus zeitlichen Gründen nicht. Wir rechnen daher nur mit 20.000 Wählenden.

Werden die irakischen Frauen denn gleichermaßen dabei sein?

Wenn Iraker die Gelegenheit haben, dann gehen sie gemeinsam als Familien zur Registrierung und zur Wahl.

Wird Ihre Partei WählerInnen aus dem Umland Berlins in die Stadt fahren?

Ja. Wir und die andere große kurdische Partei, die Kurdische Demokratische Partei (KDP), werden zusammen den Transport der Wähler nach Berlin und in die anderen drei Städte unterstützen. Wir verfügen über eine große Anhängerschaft. Deshalb sind wir sehr bemüht, in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die die Wahl im Auftrag der Irakischen Wahlkommission im Ausland organisiert, alle Wähler zu erreichen.

Wie viele Iraker werden allein hier in Berlin wählen?

Nach Unterlagen des Berliner Integrationsbeauftragten leben etwa 3.000 Iraker in Berlin. Unserer Einschätzung nach haben außerdem noch etwa 1.000 Berliner Iraker die deutsche Staatsangehörigkeit. Wahlberechtigt sind insgesamt rund die Hälfte, also etwa 2.000. Von denen werden zwischen 70 und 80 Prozent zur Wahl gehen.

Rechnen Sie mit Sicherheitsproblemen?

Ich glaube nicht, dass es zu Anschlägen kommt. Es kann allenfalls sein, dass es in den Wahllokalen bei der Registrierung Schwierigkeiten gibt. Die persönlichen Unterlagen der Iraker in Deutschland sind nicht alle vollständig. Die Ausländerbehörden behalten viele Originaldokumente ein, sodass einige Wähler nur mit Kopien zur Registrierung kommen werden. Es könnte also eher Probleme zwischen den Wählern und den Wahlhelfern geben als zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen.

Welches Wahlergebnis erwarten Sie?

Ich kann hier nur für die Liste „Allianz Kurdistans“ sprechen, in der neben kurdischen Parteien auch turkmenische, christlich-assyrische Parteien und unabhängige Araber vertreten sind. Wir rechnen mit 20 bis 25 Prozent der Stimmen für unsere Liste.

Wie fühlt es sich an, hier in Berlin ohne Angst wählen gehen zu können?

Es ist ein sehr schönes Gefühl.

INTERVIEW:
JAN DÖRNER, JOHANNES RADKE