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ich ente, also bin ich von WIGLAF DROSTE

Wenn man Templin hinter sich gebracht hat, wird es schön. Um das zu wissen, muss man allerdings in Templin gewesen sein. In Templin sehen alle Blusen aus, als ob sie Angela hießen. Templin ist ein anderes Wort für Plattenbaufrau. Englisch klingt es sogar noch gültiger: plattenbauwoman. Ja beziehungsweise Yeah!, plattenbauwoman …

Templin reimt sich auf fliehn. Dem Merkelmuff nordwärts enteilend, gelangt man nach Mecklenburg. Vorbildlich bevölkerungsarm liegt dieser kleine Erdteil herum. Einladend sind seine Gewässer – wen man hier alles versenken könnte! „In den See, mit einem Gewicht an den Füßen!“, schwärmt man asterixselig und sieht den Enten beim Enten zu, denn so heißt das wohl, was sie tun: Die Enten enten so herum. Enteo, ergo sum – ich ente, also bin ich.

Die Menschen haben es eindeutig schlechter angetroffen: Sie müssen Zeitung lesen, selbst in Mecklenburg. Tut das wirklich nötig? Da, wo der Nordkurier erscheint, lautet die Antwort allerdings entschieden: Ja. Der Nordkurier hieß in der DDR Freie Erde, jetzt ist das Blatt sogar noch besser. Ständig und sinnlos werden so viele Journalistenpreise verliehen – wann aber gibt es endlich einen Preis für Polizeimeldungen? Der Nordkurier hätte Führungsanspruch. Bitte lesen Sie selbst: „Ein Pole wurde von seinen Komplizen in einem Altkleidercontainer in Woldegk ‚vergessen‘. Er hatte die Utensilien auf die Straße geworfen, wo die anderen die Ware inspizierten. Ein aufmerksamer Woldegker entdeckte die Übeltäter und rief die Polizei. Die Polen ergriffen daraufhin die Flucht. Der Polizei wiederum blieb nichts weiter übrig, als die Textilien in den Container zu werfen. Von dem Mann in der Tonne hatten sie keine Ahnung.“

Das ist aber noch lange nicht alles. Der Nordkurier hat mehr zu bieten als Eintagsenten. „Mit 4,87 Promille im Blut war eine Frau zwischen Feldberg und Koldenhof unterwegs und fiel dort einem Autofahrer auf. Zuvor hatte sie in der Luzinstadt bereits einen Poller umgefahren. Die Polizisten maßen dreimal den Atemwert, weil sie einen Defekt des Gerätes ausschließen wollten.“

Ich verfiel dem Nordkurier ganz und las weiter: „Ein stockbetrunkener Mann klingelte nachts beim Diensthabenden der Polizei und bat, dass man seinen fehlenden Schuh suchen möge. Er durfte wenigstens in der Ausnüchterungszelle ausschlafen.“ Die Bilanz des Polizeireporters vom Nordkurier hat aber noch Brisanteres aufzuweisen. „Einen Traktor und drei Kleintransporter hat ein 19-Jähriger aus Friedland aus einem Groß Nemerower Betrieb gestohlen und teilweise zu Schrott gefahren. Zehn Bikinis sind vom Campingplatz in Ahrensberg gestohlen worden. Die Zweiteiler hingen über Nacht auf einer Wäscheleine.“

Endgültig weggeputzt aus meinem Entenleben wurde ich von der Überschrift „Vater Holldorf – Idol der Schweißhundführer“. Es gibt jede Menge Berufe, die man aus gutem Grund nie ergriff, und so vieles, das man niemals sein noch werden möchte. Aber Idol der Schweißhundführer? Da kann auch ich, Freund der Verweigerung, nicht standhaft bleiben und Nei-en sagen. Ich werfe hin und werde: Idol der Schweißhundführer. Oder, noch lieber, Polizeireporter beim Nordkurier.

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