Die Ewige Stadt zieht die Notbremse

Erste Folgen der EU-Feinstaub-Richtlinie: Weil in Rom der Grenzwert überschritten wird, gilt ein Fahrverbot

ROM taz ■ Die Hitliste der Grenzwertüberschreiter führte gestern in Deutschland München an: Bereits zum fünften Mal im noch jungen Jahr wurde die zulässige Feinstaubkonzentration überschritten. Ab dem 35. Tag drohen Fahrverbote. Davon kann Rom nur träumen: Seit dem 1. Januar liegt Italiens Hauptstadt weit über den zulässigen 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Im Zentrum der Ewigen Stadt wurden zuletzt 80 Mikrogramm gemessen, und selbst die Messstelle in der Villa Ada, einem der größten Parks Roms, verzeichnete noch 60 Mikrogramm. Was in Deutschland noch Zukunftsmusik ist, ist in Italien längst Realität: Seit nunmehr 10 Tagen gilt für alle nicht katalysierten Benziner und Diesel ohne Partikelfilter ein totales Fahrverbot.

Hinzu kam gestern ein zweites Verbot: Im gesamten bewohnten Stadtgebiet mussten sämtliche Fahrzeuge mit gerader Kennzeichen-Endnummer vormittags von neun bis zwölf sowie nachmittags von 15 bis 19 Uhr stehen bleiben. Der alternierende Stopp einmal pro Woche – nächsten Donnerstag sind die ungeraden Kennzeichen dran – hat die Stadtverwaltung gleich bis Ende März verfügt. Als ob das noch nicht genug wäre: Sollten die Feinstaubwerte heute nicht unter das erlaubte Limit sinken, droht Rom ein totaler Verkehrsstopp am kommenden Sonntag.

In ähnlicher Manier agieren notgedrungen zahlreiche andere Kommunen vor allem in Nord- und Mittelitalien: Gestern gab es Fahrverbote zum Beispiel in Florenz, Turin, Bologna, Modena, Terni. Was in Italien dagegen nicht stattfindet, ist eine breite Debatte über die Gründe der dauernden Grenzwertüberschreitung. Rußdiesel oder verstopfte Innenstädte? Allenfalls für ein paar Umweltaktivisten ein Thema. Die mahnen seit Jahren eine andere Verkehrspolitik an, und sie zitieren in diesen Tagen auch wieder die alarmierenden Feststellungen römischer Ärzte, wonach die akuten Atemwegserkrankungen um 30 Prozent nach oben geschnellt sind.

Weitreichende politische Initiativen oder gar politischer Druck auf die Automobilindustrie ist dagegen nicht in Sicht. Traditionell haben Italiens Regierungen die im Umweltschutz nicht gerade innovationsfreudige Fiat kaum mit Auflagen traktiert; und heute ist die Regierung froh, wenn in Turin und an den anderen Fiat-Standorten überhaupt Autos gebaut werden.

Da bleibt den Lokalpolitikern vor allem die Hoffnung aufs Wetter. Roms Verkehrsdezernent Mario Di Carlo erklärte: „Die alternierenden Fahrverbote werden den Verkehrsfluss sicher verbessern, aber was den Smog angeht, müssen wir wohl auf den Regen warten. Ich weiß, es ist erniedrigend und frustrierend, aufs Wetter vertrauen zu müssen, aber die 50 Mikrogramm sind ein für Rom einfach unerreichbares Ziel.“ Auf originelle Art sucht die Stadtverwaltung sich dennoch diesem Ziel anzunähern. Sie will jetzt vier der zwölf Schadstoff-Messstellen verlegen – an Standorte, an denen weniger emittiert wird. Dass damit aber der gegenwärtigen Situation wirklich beizukommen ist, glaubt ernsthaft niemand: Im letzten Jahr überschritt Rom an 120 Tagen die Grenzwerte. MICHAEL BRAUN