Das dreiunddreißigste Gepäckstück

Äquatorialguinea galt jahrelang als hoffnungslos. Dann stieß man auf Öl und alles sollte besser werden. Hieß es. Heute ist das Land bei US-Amerikanern begehrt. Doch für die Einwohner scheint es noch die alte Achselhöhle zu sein. Für Journalisten auch

VON DIETLIND LERNER

Eine wunderbare orangefarbene Sonne versank gerade im Atlantik, Palmen wiegten sich in einer leichten Brise und ich dachte, Äquatorialguinea sei vielleicht doch nicht die Hölle, für die ich es gehalten hatte, als ein selbstgefälliger Regierungsbeamter auftauchte und uns mitteilte, dass man uns des Landes verweise. Wir – fünf Leute von Chanel Nine Australia – hatten vor ein paar Minuten erst in Malabos einzigem Restaurant mit Meeresblick Platz genommen. „Bis morgen müssen Sie alle weg sein“, erklärte der Beamte.

Eigentlich galt Visum für unser Filmteam zehn Tage, doch bereits die ersten fünf hatten ausgereicht um klarzumachen: Die Blitzausweisung anzufechten wäre kompletter Irrsinn. Präsident Teodoro Obiang Nguema Mbasogo führt seine Regierungsgeschäfte derart undurchsichtig und chaotisch, dass ein formeller Antrag keine Chance hätte. Trotz aller Forderungen, eine Demokratie genannt zu werden, bleibt Äquatorialguinea ein Land, das von Terror regiert wird. Die auswärtige Presse tut gut daran, bei der Berichterstattung äußerst vorsichtig vorzugehen. Unser Team hat das am eigenen Leibe erfahren können.

Meine erste Begegnung mit der hiesigen Korruption war noch zu Hause, in Paris. Vor dem Wirtschaftsaufschwung in Äquatorialguinea Mitte der Neunzigerjahre, der das Land fast über Nacht zu großem Reichtum brachte, wurde das Land meist „the armpit of Africa“, die Achselhöhle Afrikas, genannt. Doch seit vor seinen Küsten Öl entdeckt wurde, mutierte Äquatorialguinea im öffentlichen Ansehen zum „Kuwait Afrikas“. Äquatorialguinea ist heute Afrikas dritt größte Ölquelle. Wegen der momentanen geopolitischen Atmosphäre ist es besonders interessant für US-amerikanische Investoren: Äquatorialguinea ist weder Mitglied der Opec noch ist es arabisch. Der neue Status des Landes hatte uns interessiert. Wir beschlossen, eine Geschichte über Äquatorialguinea zu machen.

Dem Geldsegen gerecht werdend, hatte die Botschaft in Paris ihr altes Quartier vor kurzem verlassen und war in einen der edlen neuen Bürokomplexe direkt um die Ecke des Parc Monceau umgezogen. Als ich mich vor einigen Monaten um die Visa für unsere Crew bemühte, musste ich feststellen, dass es dort trotz der Luxusausstattung ein Problem mit den Telefonen zu geben schien. Tagelang hatte ich versucht, die Botschaft anzurufen, um Einzelheiten über Öffnungszeiten und Unterlagen zu erfahren. Erfolglos.

Ich beschloss, selbst zur Botschaft zu fahren, und mich nach den Modalitäten für das Visum zu erkundigen. „Entschuldigen Sie, dass ich ohne Termin hier auftauche, aber ich konnte Sie telefonisch nicht erreichen, Ihre Leitungen müssen gestört sein“, erklärte ich einer streng blickenden Sekretärin am Eingang. Sie nickte abwesend und wies mir einen Stuhl im Nebenzimmer zu, ohne ihr Telefonat – von einem offensichtlich funktionierenden Apparat aus – zu unterbrechen. Es verstrichen einige Minuten, in denen ich darüber nachgrübelte, warum man seine Botschaft in so einem teuren Bürogebäude unterbringt und dann die Nummer des einzigen funktionierenden Anschlusses geheim hält.

Es war auffallend still im Büro. Fast dachte ich, die Sekretärin und ich wären alleine in der Botschaft. Doch dann erschien ein Mann in der Tür. Er betrachtete mich und verließ den Raum wieder ohne ein Wort. Kurz danach kam ein junger Mann und überreichte mir ein paar Formulare.

Mein nächster Besuch fand einen Monat später statt – so lange dauert es, bis man die nötigen Einladungen des Informationsministers aus Malabo erhält. Diesmal war keine Sekretärin da. Im Raum nebenan räkelten sich zwei voluminöse Männer in der Couchgarnitur und pafften Zigarren. Hinter einem Tisch saß eine Frau, die ihre Nägel lackierte. Nach einem kurzen Blick auf die Unterlagen, die ich vor sie hinlegte, fragte sie: „Haben Sie die Nummer des Informationsministers in Malabo?“ Ihre Stimme war sehr tief und ihr spanischer Akzent erstaunlich charmant. Ich nickte. „Haben Sie ein Handy?“ Ich begriff, was sie wollte, und wählte. Offensichtlich zog sie die für mich teure Verbindung über mein Handy ihrer Festnetzverbindung vor. Kaum hatte ich allerdings die Nummer gewählt, nahm sie mir das Gerät aus der Hand und verschwand. Von den Geräuschen im Hintergrund konnte ich schließen, dass mein Handy langsam durch das ganze Büro durchgereicht wurde. Nur einmal kurz zwischendurch erschien die lackierte Dame und fragte: „Wo ist die Wiederwahltaste?“

Ich sah mein Handy erst wieder, als einer der Zigarrenpaffer an der Reihe war. Wie sich herausstellte, war er der Bruder des Informationsministers. Zu der teuren Handyrechnung kam schließlich noch eine extrem hohe Summe an Visakosten, aber irgendwann schaffte ich es tatsächlich, die Zustimmung für unsere Einreise zu bekommen.

Drei nicht afrikanische Städte bieten direkte Flugverbindungen zur Hauptstadt Malabo an: Madrid (Äquatorialguinea war bis 1968 unter spanischer Kolonialherrschaft), Zürich und, weil die US-Amerikaner seit jüngster Zeit große Summe in Äquatorialguinea investieren, Houston, Texas. Wir entschieden uns für Madrid.

Wie im Irak Saddam Husseins oder in Nordkorea üblich, werden ausländische Gäste in Äquatorialguinea von offizieller Seite betreut – man könnte auch sagen, überwacht. Am Flughafen von Malabo angekommen, empfing uns also der Regierungsmitarbeiter, den man uns als Aufpasser bestimmt hatte. Sein Name war Pastor Umba.

Der fettleibige Mann beobachtete still den Kampf von fünf Leuten, die zweiunddreißig Gepäckstücke durch den Zoll und später durch die Halle des Flughafens schleppen mussten. Er machte keine Anstalten, uns zu helfen. Stattdessen informierte er uns darüber, dass er vor niemandem Angst habe. Überhaupt wollte er keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass die Zusammenarbeit mit ihm nicht einfach werden würde: „Warum wollen Sie einen Bericht über Äquatorialguinea machen, das interessiert ihre Zuschauer in Australien gar nicht.“ Er schien sich für einen Fachmann zu halten.

Umba war auch Journalist, ließ er uns auf der Fahrt in die Stadt wissen. „Ich habe in Peking Journalismus studiert“, erklärte er. Die Art, wie er die Worte ausspuckte, schien die Wichtigkeit dieser Institution unterstreichen zu wollen. Überhaupt sprach Umba gerne über sich. „Ich bin ein großer Star, ich habe hier meine eigene Fernsehshow. Jeder kennt mich.“

Trotz seines Celebritiy-Status schien selbst ein Mann wie Umba unbedingt aus Malabo rauskommen zu wollen. Die Hälfte der Zeit, die er in den nächsten Tagen mit uns verbrachte, zählte er uns auf, was wir nicht durften, die andere Hälfte verbrachte er damit, von seinem Mobiltelefon aus mit den Verantwortlichen eines afrikanischen Magazins zu telefonieren, in dessen Londoner Büro er arbeiten wollte.

Das Hotel Candy, das man für uns ausgesucht hatte, war extrem schäbig. Jeder Raum hatte eine Riesenrattenfalle, mit einer durchgängigen Stromversorgung konnte nicht unbedingt gerechnet werden, trotzdem zahlten wir horrende Preise für die Übernachtung.

Unser erster Eindruck von Malabo war sehr ernüchternd, obwohl wir keine großen Erwartungen gehabt hatten: Die meisten Häuser der Gegend unterschieden sich nicht groß von unserem Hotel. Die heruntergekommenen Gebäude erinnerten ein bisschen an Havanna, allerdings ohne den Charme des Verfallenen. Die ganze Stadt verströmte ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit. Die heruntergekommenen Häuser erinnern ein bisschen an Havanna. Nur ohne den Charme. Solche Trostlosigkeit steht in direktem Kontrast zu dem Potenzial, welches man von einem Land erwarten würde, das pro Tag 400.000 Barrel Öl fördert.

Trotz der Ölquellen haben die meisten Häuser keinen Strom und keine Wasserversorgung. Fast jeder der öffentlichen Brunnen ist ständig von einer Menschenmenge umgeben. Abends versammeln sich Teenager unter den Straßenlaternen und machen ihre Hausaufgaben. In den ersten Tagen hielten wir vor allem nach US-amerikanischen und australischen Ölarbeitern Ausschau, von denen es hier hunderte geben sollte. Wir fanden einige in einer Pizzabude, die den Ruf hatte, eine der besten Adressen der Stadt zu sein. Aber niemand wollte mit uns sprechen. Man wich uns merklich aus.

Wir kamen mit unseren Aufnahmen kaum voran. Am dritten Tag hatten wir schließlich ein Treffen mit Agustín Nze Nfumu, dem Informationsminister, den ich ja schon von Paris aus mit meinem Handy angerufen hatte – ohne ihn zu sprechen. Nze hat eine unglaubliche Karriere hinter sich: Er hat nicht nur die fünfundzwanzig Jahren von Obiangs Herrschaft durchgestanden, er war auch bereits zu Zeiten von Francisco Macías Nguema in der Regierung beschäftigt und hat den Putsch, der 1979 Obiang (Macias Neffen) an die Macht brachte, überlebt.

Nze war ein kompakter, durchaus eloquenter Mann, mit rauen Charme. „Ich habe mindestens zwanzig Kinder“, erklärte er uns mit einem Blick auf das Bild seiner Frau und der drei ehelichen Kinder. Wir baten ihn, die Auftragskiller interviewen zu dürfen, denen wegen eines Putschversuchs der Prozess gemacht wurde. „Ach, das sind doch alles erfundene Geschichten“, antwortete Nze lächelnd. Ende der Diskussion. Dass vierundsechzig Söldner in Zimbabwe im Gefängnis festgehalten wurden und achtzehn weitere um die Ecke von Nzes Büro inhaftiert waren, dass einer der Angeklagten in Haft verstorben war, davon wollte Nze nichts wissen. Der Putschversuch wurde angeblich dadurch vereitelt, dass die südafrikanische Regierung den Regierungen von Äquatorialguinea und Zimbabwe einen Hinweis gab.

Mark Thatcher, der Sohn der ehemaligen britischen Premierministerin, und der britische Krimiautor und frühere Politiker Jeffrey Archer sind unter denen, die verdächtigt werden, das Unternehmen finanziell unterstützt zu haben. Thatcher war am 25. August verhaftet worden und nur gegen eine Kaution von zwei Millionen Rand (rund 250.000 Euro) auf freien Fuß gesetzt worden – Baroness Margaret Thatcher hat diesen Betrag angeblich persönlich bezahlt. Mehr als eine Geldstrafe hat ihr Spross allerdings kaum zu erwarten, die Anklage lautet allein auf finanzielle Mithilfe. Die auf dem Flughafen Harare beim Aufladen von Gewehren und Munition festgenommenen südafrikanischen Söldner sind Angehörige eines berüchtigten Killerkommandos, das in Angola und Namibia eingesetzt wurde.

Hinter dem Putsch stehen neben Thatcher angeblich britische Ölfirmen, die nicht hinnehmen wollen, dass seit 1996 die US-amerikanischen Konzerne ExxonMobil und ChevronTexaco sowie die französische TotalFinaElf das Rennen um die Öl- und Gasreserven machen.

Nze wollte aber lieber über die Pläne für Malabo II sprechen, die neue Stadt, die die Regierung plant. „Die alte Stadt wird verlassen sein, wenn erst mal die neue steht“, versprach er. Vielleicht hatte man deswegen bereits aufgehört, den Müll von den Vortreppen des Ministeriums zu räumen. Wir baten um Erlaubnis, auf einer Ölförderanlage an der Küste zu filmen. „Oh, darüber entscheide ich nicht“, erklärte er mit einem engelsgleichen Lächeln. „Da müssen Sie bei den Firmen selbst anfragen.“ (Die Anfrage bei den Firmen hatte ergeben, dass die Regierung gefragt werden müsse.)

Das Treffen mit Nze war ein bisschen wie ein Treffen mit Pinocchio, nur dass seine Nase nicht wuchs. Er wirkte nett, hilfsbereit, aufgeschlossen und zögerte keine Sekunde, uns die größten Lügen aufzutischen. Ich bat um ein Interview mit dem Präsidenten. „Seien Sie geduldig, Sie werden ihn schon treffen“, versprach mir Nze. Dann verabschiedete er uns, nicht ohne uns mit drohendem Zeigefinger lächelnd zu warnen. „Kommen Sie Polizei und Armee mit ihren Filmaufnahmen nicht in die Quere.“

Für Obiang sollte an diesem Tag eine Messfeier in Malabos Dom veranstaltet werden, um seinen Wahlsieg zu feiern. Bei der letzten Wahl hatte ein Journalist Obiang zu einem Gott erklärt, denn er hatte 97,1 Prozent der Stimmen bekommen. In diesem Jahr hatte der Präsident 98 der 100 Sitze des Parlaments erhalten. Ein sichtbares Zeichen für seine Popularität ist, dass jeder Zehnte entweder sein T-Shirt, sein Kleid, oder auch seinen Rock mit dem Gesicht des Präsidenten bedruckt hat. Wir beschlossen, Obiang in der Kirche zu filmen. Unsere Presseausweise – ausgestellt von Nze – brachten uns auffallend problemlos durch die Polizeibarrikaden und das Armeeaufgebot. Doch vor dem Kirchenportal wurden wir gestoppt. Soldaten drängten uns um die Ecke, zwangen uns, die Kamera auszustellen und auf den Boden zu legen, bis der Präsident erschienen sei. Mit vorgehaltenen Gewehren wies man uns einen Platz in der prallen Sonne zu. Vom Präsidenten bekamen wir schließlich gerade mal den Rücken zu sehen. Umringt von marokkanischen Bodyguards in grauen Anzügen – den einheimischen traut Obiang nicht – verschwand der wichtigste Mann des Landes hinter der Kirchentür, während wir draußen Opfer der Mosquitoschwärme wurden.

Am nächsten Tag rief ich Placido Mico an, den Chef der Partei Convergence pour la Démocratie Sociale (CPDS). Obwohl Placido Mico über vierhundert Tage im berüchtigten Black-Beach-Gefängnis gesessen hat, ist er einer der wenigen Dissidenten, die in Malabo geblieben sind. „Warum rufen Sie erst jetzt an?“, fragte er mich. „Woher wussten Sie, dass wir hier sind?“, fragte ich erstaunt zurück. Mir war klar, dass die Regierung uns überwachte. Aber dass es auch die Opposition tat?

„Ich habe gestern in den Nachrichten davon gehört. Nze hat verbreiten lassen, dass ein australisches TV-Team eine Geschichte darüber macht, wie wunderbar unser Land ist.“ Uns war verboten worden, das Treffen zu filmen. Aber einer von Nzes Mitarbeitern hatte Aufnahmen gemacht. Jetzt stellte sich heraus, dass unser Treffen zur besten Sendezeit ausgestrahlt wurde. Wenn auch ohne unsere Fragen.

Eine streng blickende Frau – wohl Placidos Ehefrau – empfing uns in aller Frühe am nächsten Morgen an der Tür. Sie sah an uns vorbei. Ich hatte gelesen, dass Placido Micos Frau zusammengeschlagen wurde, als sie ihrem Mann Essen ins Gefängnis bringen wollte. Also verstand ich, dass sie nicht gerade erfreut über unser Kommen war. Mico hält einen der Sitze im Parlament. Einer von zweien, die nicht von Obiangs Partei besetzt sind.

Während unserer Vorbesprechung merkten wir schnell, warum so viele Menschen hier ihm vertrauten und ihn liebten. Placido Mico war offen, wirkte ehrlich, ohne gleich melodramatisch oder hasserfüllt zu erscheinen. Er erzählte uns, wie Obiangs Bruder, den man El Armengol nennt, ihn im Gefängnis gefoltert hatte. Als ich ihn fragte, ob er nicht fürchtete, durch das Gespräch mit uns weitere Haftstrafen erleiden zu müssen, sagte er: „Ich bin froh, dass Menschen aus dem Ausland kommen. Das zeigt uns, dass wir nicht vergessen sind. Es ist wichtig zu wissen, dass man uns nicht vergessen hat.“ Wir verabredeten ein Interview vor laufender Kamera für den nächsten Tag. Placido sagte, wir könnten Umba mitbringen, es würde den Inhalt des Interviews nicht beeinflussen.

Am selben Tag trafen wir Eric Moussambani, „den Aal“. Den Spitznamen bekam der Schwimmer in Anlehnung an den legendären britischen Skispringer Edwards, Eddie der Adler, der – obwohl immer weit abgeschlagen – jahrelang mit der Weltspitze in die Täler flog.

Eric Moussambani ist der bekannteste Äquatorialguineer in Australien. Das Schwimmen hat er sich selbst beigebracht, mit mäßigem Erfolg. Der Wettkampf, an dem er bei den Olympischen Spielen2000 in Sydney teilnahm, steht seinetwegen heute im Guinessbuch der Rekorde: Er war der langsamste aller Zeiten bei einem olypmischen Wettkampf. Nie zuvor war Eric so lange und so weit geschwommen, trotzdem sprang er ins Becken, um die 100 Meter Freistil zu absolvieren. Auch wenn er auf der letzten von zwei Bahnen – nach eigenen Angaben – beinahe ertrunken wäre, war das Publikum begeistert. In Australien war er ein Held. Mit einem Interview wollten wir unsere ansonsten so trostlose Berichterstattung etwas aufhellen. „Ihr wollt Eric doch nur filmen, damit ihr euch über die Menschen hier lustig machen könnt“, warf Umba uns vor. Offensichtlich hatte er noch nie etwas von „human touch“ gehört. Diese Art Journalismus scheint man in Peking nicht zu lehren.

Wir hatten uns mit Eric Moussambani im Luxushotel Bahia verabredet. An sich ein optimaler Ort, um einen Schwimmer zu interviewen, wäre der Pool nicht seit Monaten trockengelegt. Eric war ein außerordentlich netter junger Mann, leider stellte sich heraus, dass er nicht viel zu sagen hatte. Sein einziges Thema waren Schwimmwettbewerbe. Zur Olympiade in Athen konnte er nicht antreten, die Behörden akzeptierten das Foto in seinem Pass nicht und verwehrten ihm im Sommer 2004 die Erlaubnis, das Land zu verlassen. Während des Interviews verschwand unser Schatten. Die Zeit ohne Umba nutzten wir und filmten Ölförderinseln vor der Küste – von der Terrasse des Hotels aus. Als Umba verschwunden blieb, richteten wir unser Objektiv auf eine der Luxusresidenzen des Präsidenten, die man in der Ferne sehen konnte. Und dann filmten wir die Helikopter, die wie emsige Bienen ständig zwischen Präsidentenresidenz und Ölförderanlage hin- und herflogen.

Eine Gruppe Bier trinkender Männer beobachtete uns dabei. Sie waren, wie sich herausstellte, US-amerikanische und australische Gastarbeiter auf den Förderanlage, die bereit waren, auf unsere Fragen zu antworten. Sie erzählten uns, wie sie lebten, wie die Bevölkerung sie von allem, was in Malabo passierte, ausschloss, dass sie nur auf Monatsbasis angestellt wurden. Sie beschwerten sich nicht groß, doch als die Interviews vorbei waren, bekam es einer mit der Angst zu tun. Er versuchte, uns die Bänder wieder abzunehmen. Es gab ein Handgemenge, und wir flohen.

Langsam näherte sich der Abend und wir waren erschöpft. Der Nachmittag war anstrengend gewesen. Wir beschlossen, Umba zu vergessen und einfach auf eigene Faust essen zu gehen. So kamen wir in das Restaurant mit Meeresblick, in dem uns Umba schließlich fand und uns von unserer Ausweisung unterrichtete. Zuerst konnte ich es nicht glauben. „Man schmeißt uns raus?“ Umba lächelte: „Es liegt nicht an mir, das zu entscheiden“, sagte er. „Aber wenn Sie den Flieger um Mitternacht nicht nehmen, kann ich für Ihre Sicherheit nicht mehr garantieren.“ Nach dem Essen gingen wir also ins Hotel und packten.

Die drei Taxen für unsere Crew wurden den ganzen Weg hin zum Flughafen von einem Konvoi von Autos begleitet. Frederick Forsythe lebte einmal für ein paar Wochen im Bahia-Hotel. Er schrieb dort an „The Dogs of War“, seinem Roman über die Korruption in einem fiktiven, brutalen, moskitoverseuchten Land, das er Zangaro nannte. „Zangaro“, so schreibt Forsythe, „bewegt sich unablässig zurück ins Mittelalter.“ Es wird vermutet, dass er mit Zangaro Äquatorialguinea meinte. Wenn er unter Mittelalter Terror und blinde Unterwürfigkeit verstand, dann stimme ich ihm zu.

Unsere zweiunddreißig Gepäckstücke wurden von Sicherheitskräften genauestens durchsucht. Sie beschlagnahmten jeden Fitzel Material, den sie finden konnten, sogar leere Bänder. Alle Verhandlungsversuche scheiterten.

An Board sprach uns ein Industrieller an. „Ach, sind Sie nicht das Kamerateam aus Australien“, fragte er. Hatte er uns auch im Fernsehen gesehen? Nein. Wie er uns erklärte, hatten alle Mitarbeiter von ausländischen Firmen eine E-Mail von der Regierung erhalten, die sie über unser Vorhaben informierte. Die Mail enthielt die klare Anweisung, nicht mit uns zu sprechen.

Doch den Schnüfflern am Flughafen ist etwas entgangen. Sie haben die entscheidende Tasche nicht aufspüren können. Ein dreiunddreißigstes Gepäckstück hatten wir bereits im Vorfeld ins Flugzeug schmuggeln lassen können. Darin waren waren die sechs Bänder, auf denen wir den Müll vor und im Hotel dokumentiert hatten. In unbeobachteten Momenten hatten wir die Stadt von unserem Taxi aus filmen können, und so hatten wir Aufnahmen der umlagerten Wasserquellen, Szenen mit Jugendlichen, die Nachts im Licht der Laternen auf der Straße ihre Bücher lasen. Auf den Bändern waren auch unser Interview mit Eric, die Gespräche mit den angetrunkenen Ölarbeitern und der wunderbare Blick auf die Förderanlage von der Küste aus.

Unsere Geschichte wurde ein paar Wochen später gesendet.

Aus dem Englischen von Judith LuigDIETLIND LERNER, Jahrgang 1968, lebt seit zehn Jahren als freie Journalistin in Paris. Zurzeit ist sie an der Grenze zwischen Kenia und dem Sudan und schreibt dort eine Geschichte über die Lost Boys, die Flüchtlingskinder