Sirene Wanka bezirzt Verfassungsrichter

Studentenwerke werfen neuer KMK-Chefin Johanna Wanka vor, Karlsruhe zu beeinflussen – pro Unigebühren

„Die KMK-Päsidentin leistet der Aufhebung des Gebührenverbots Vorschub“

BERLIN taz ■ Es klingt wie Fürsorge. Seit Tagen plädiert die neue Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Johanna Wanka (CDU) für den Schutz der Studierenden. Einem Wildwuchs von Unigebühren gelte es vorzubauen, sagt die Präsidentin wenige Tage bevor Karlsruhe am 26. Januar über das Bezahlstudium befindet. Und, so die Brandenburgs Wissenschaftsministerin, ein „Bafög für alle“ muss her – damit die Gebühren nicht die Arbeiterkinder aus den Unis treiben. Klingt edel. Ist es aber nicht.

Tatsächlich befördert die KMK-Vorsteherin Wanka die Einführung von Studiengebühren erst. Politische Beobachter gehen davon aus, dass Wanka die Richter pro Studiengebühren bezirzen will. „Die Aussagen Wankas leisten der Aufhebung des Gebührenverbots Vorschub“, meint auch Achim Meyer auf der Heyde, der Generalsekretär der deutschen Studentenwerke.

Würden sich die Länder mit Wanka auf ein einheitliches Modell einigen, etwa eine Höchstgebühr von 500 Euro pro Semester, würde sich die Sachlage bei der komplizierten Bund-Länder-Gemengelage entscheidend ändern. Dann müssen die Karlsruher Richter nicht mehr davon ausgehen, dass die Länder zur Selbstkoordinierung bei Gebühren unfähig sind. Bisher waren sie das: Immer wenn die Kultusminister kurz vor einer Einigung standen, scherte einer aus. Oder die Ministerpräsidenten winkten ab. Daher griff der Bund 2002 ein – und verbot Unigebühren. Dagegen klagten ausgerechnet jene, die das Gebührenchaos anrichten: die Länder.

„Der Bafög-Vorschlag von Johanna Wanka ist vollkommen undurchdacht“, zweifelt auch Nele Hirsch vom freien zusammenschluss der studierendenschaften (fzs) an hehren Absichten Wankas. „Die wollte sich und die KMK nur in eine gute Position bringen – wenn die Studiengebühren kommen.“ Der fzs trifft sich am Wochenende in Frankfurt/Main, um über die Konsequenzen aus dem Urteil zu beraten. Die Studis haben ein dezentrales Demokonzept im Auge – wohl eine Vorbereitung auf den zu erwartenden Flickenteppich von Gebührenmodellen, der sich übers Land legen könnte.

Absehbar ist, dass die Länder diverse fertige Modelle für Studiengebühren aus der Schublade ziehen, wenn das rot-grüne Gebührenverbot von 2002 erst gefallen ist. Nur die wenigen SPD-regierten Länder stemmen sich dagegen. Sie präferieren Studienkonten, die Anreize zum zügigen Studium geben.

Würde jedes Bundesland in der Gebührenfrage sein eigenes Süppchen kochen, wäre es für die Karlsruher Richter schwerer, das Verbot des Bezahlstudiums zu kippen. Laut Grundgesetz würde es eine zersplitterte Gebührenlandschaft dem Bund erlauben, die Sache selbst in die Hand zu nehmen – um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik herzustellen. In einem ähnlichen Verfahren – es ging um das Altenpflegegesetz – argumentierte Karlsruhe: Der Erlass von Gesetzen durch den Bundestag sei dann erforderlich, „wenn Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich bringen“.

CHRISTIAN FÜLLER

JOHANNES HONSELL