Argentiniens Taktik: Spalten und sparen

Das größte Schuldentauschprogramm eines Schwellenlandes hat bereits ein Fünftel aller Gläubiger akzeptiert

BUENOS AIRES taz ■ Drei Jahre nachdem sich Argentinien gegenüber privaten Gläubigern zahlungsunfähig erklärte, begann am Freitag der größte Schuldentausch in der Geschichte der Schwellenländer. Insgesamt 81,2 Milliarden Dollar Schuldtitel werden gegen neue Papiere getauscht – mit einem Abschlag von 70 Prozent. Das bedeutet finanzielle Erleichterung für Argentinien – und einen herben Verlust für die Anleger.

Dennoch läuft die Umtauschaktion erfolgreich. Argentinische Versicherungen und Banken tauschten nach Regierungsangaben bereits am ersten Tag rund 20 Prozent ihrer wertlosen Schuldverschreibungen gegen neue Titel. Bei den Anlegern im Ausland stieß der argentinische Schuldentausch hingegen auf heftige Kritik. Interessenverbände der Argentinien-Anleihen-Besitzer empfahlen ihren Mitgliedern, den Tausch abzulehnen. Hans Humes, Vorsitzender des Global Committee of Argentina Bondholders, ist überzeugt, dass Argentinien doppelt so viel bezahlen könne, wie es gegenwärtig anbiete. Humes empfahl, das Angebot abzulehnen.

In der Tat steht die Wirtschaft Argentiniens im Jahr drei nach dem Zusammenbruch relativ stabil da. Hohe Rohstoffpreise auf den Weltmärkten und das Nichtbedienen der Auslandsschuld bescherten dem Land einen beachtlichen Haushaltsüberschuss. Das Wirtschaftswachstum liegt bei acht Prozent, die Devisenreserven belaufen sich auf 19,5 Milliarden Dollar. Mit dem neuen Geld im Staatssäckel zahlte Argentinien fällig werdende Kreditraten beim Internationalen Währungsfonds, befreite sich damit vom Druck des IWF bei den Verhandlungen mit den Privatgläubigern.

Bei den Verhandlungen mit den privaten Gläubigern gelang es der argentinischen Regierung durch eine geschickte Strategie, die Anleger zu spalten. So hat die Regierung den im Land ansässigen Versicherungen und Banken vorteilhafte Bedingungen gewährt und sich damit 20 Prozent Zustimmung erkauft. Ausländische Gläubiger stehen dagegen vor dem Dilemma, den Tausch anzunehmen oder darauf zu hoffen, dass Argentinien später nachbessert. Mit einer Meistbegünstigungsklausel versucht Argentinien, die Gläubiger zu locken. Wenn das Land in Zukunft sein Angebot nachbessert, profitieren davon zuerst diejenigen, die in den kommenden Wochen tauschen. Doch die Anleger haben auch noch eine zweite Möglichkeit. Wegen des Schuldentauschs stiegen Argentiniens Staatsanleihen auf den Märkten auf 30 bis 35 Prozent ihres Nominalwerts, was mehr wert ist, als die Regierung derzeit zu zahlen bereit ist.

Für den argentinischen Wirtschaftsminister Roberto Lavagna ist jedoch klar: Wer jetzt nicht tauscht, verliert seine Ansprüche „für immer“. Selbst wenn nur die Hälfte aller Gläubiger den Tausch akzeptierten, sei nach Ablauf der Frist das Thema Zahlungsunfähigkeit „beendet“. Zumindest für Lavagna: Denn kommt Argentinien mit seinem Angebot durch, nur noch ein Viertel seiner Schuld zu zahlen, könnte das Beispiel bei anderen hoch verschuldeten Ländern wie Brasilien und Uruguay Schule machen. INGO MALCHER