Plastiken gegen das Vergessen

Kölner Gymnasiasten haben sich im Kunst-Leistungskurs intensiv mit der NS-Zeit und den Opfern des Holocaust auseinander gesetzt. Die Ergebnisse ihrer Arbeit sind im Regierungspräsidium zu sehen

Von Susanne Gannott

„Wenn der Himmel Papier und alle Meere der Welt Tinte wären, könnte ich Euch mein Leid und alles, was ich rings um mich sehe, nicht beschreiben.“ Es sind Sätze wie dieser aus dem Brief des 14-jährigen KZ-Häftlings Chaim, die der italienische Komponist Luigi Nono (1924-1990) in seinem Orchesterwerk „Il canto sospeso“ verarbeitete. 1956 hatte das Stück in Köln Premiere. Und noch heute entfalten die zehn Häftlingsbriefe, die Nono inspirierten, ihre Wirkung.

Etwa bei den Schülerinnen und Schülern des Kunst-Leistungskurses am Schiller- und Elisabeth-von-Thüringen-Gymnasium in Köln-Sülz. Sie haben zusammen mit der Musik Triennale Köln im vergangenen Jahr eine Hommage an Luigi Nono erarbeitet und sich dafür intensiv mit NS-Zeit und den Opfern des Holocaust auseinander gesetzt. Einige der kunstvollen Plastiken der Schüler sind jetzt in den Fluren der Kölner Bezirksregierung ausgestellt.

Aktuelle Debatten wie die um „Nazi-Prinz“ Harry, aber auch die steigende Zahl von organisierten Neonazis in Deutschland machten es um so wichtiger, „unsere schreckliche Geschichte wachzuhalten und als Mahnung zu sehen“, erklärte Regierungspräsident Jürgen Roters gestern bei der Eröffnung. „Dafür hat jeder Einzelne die Verantwortung, auch jeder einzelne Schüler und jede Schülerin“, so Roters. Ausstellungen wie diese, aber auch der Jugend- und Schülergedenktag am 27. Januar, dem Tag der Befreiung des KZ Auschwitz, dürften jedoch nicht nur ein rituelles Gedenken befördern, sondern müssten zum Nachdenken bringen, „wie man Rassismus Einhalt gebieten kann“.

Heute sei es allerdings nicht mehr ganz einfach, den Jugendlichen das Thema NS-Zeit zu vermitteln, sagt Kunstlehrer Björn Föll, Leiter des Projekts Nono-Hommage im Kunst-LK. „Auch in Anbetracht der vielen weltweiten Katastrophen zeigen die Schüler eher Gleichgültigkeit und Resignation.“ Er versuche daher, „die Sache“ konkret anzugehen – etwa durch die Beschäftigung mit den Briefen von KZ-Häftlingen. „Dann ist die Einfühlung da.“

Auch für die Jugendlichen steht außer Frage, dass das Nono-Projekt bei ihnen mehr bewirkt habe als der „normale“ Unterricht zum Thema. Zwar werde die NS-Zeit in vielen Fächern behandelt, aber „nie so tief“, findet die 18-jährige Moran Marom. Auch Eva Knupfer, ebenfalls 18, sagt, „es wird zwar viel erzählt, aber man geht nicht mit dem Wissen um“. Durch das Kunstprojekt habe sie jedoch eine Form gefunden, mit dem Schrecken der Vergangenheit aktiv „umzugehen“, die Erkenntnis zu „kompensieren“ und die eigenen Erfahrungen weiterzugeben. „Durch die Kunst können wir Leute erreichen und ein Mahnmal setzen.“

„Hommage an Luigi Nono“: Ausstellung im Regierungspräsidium Köln, Zeughausstr. 2-10, bis 31. Januar, Mo bis Fr, 8.30 bis 18 Uhr; 27. Januar: „Erinnern – eine Brücke in die Zukunft“, Jugend- und Schülergedenktag in der Aula des Schulzentrums Hardtgenbuscher Kirchweg 100, Köln-Ostheim, 8.30 Uhr bis 13 Uhr