: Aufregung Down Under
Bei den Australian Open sorgt der Nicht-Doping-Fall von Swetlana Kusnetsowa für Aufregung. Die Russin wurde mit dem Aufputschmittel Ephedrin erwischt. Verboten ist dies allerdings nicht
AUS MELBOURNE DORIS HENKEL
Larry Scott breitete die Arme aus, hielt kurz inne, um seine Worte besser zur Geltung zu bringen. Dann erklärte der Präsident des Frauentennisverbandes WTA mit bedeutungsschwerer Stimme: „Der Schaden ist angerichtet.“ Das kann man so sagen. Mit dem Vorpreschen des wallonischen Sportministers Claude Eerdekens, der am Wochenende von einer positiven Dopingprobe bei einer der drei Spielerinnen Swetlana Kusnetsowa, Elena Dementjewa (beide Russland) und Nathalie Dechy (Frankreich) beim Einladungsturnier in Charleroi kurz vor Weihnachten berichtet und am Montag präzisiert hatte, die Betroffene sei Kusnetsowa, ist mächtig Bewegung entstanden. Leichtfertigerweise, wie Scott empört findet, der das Verhalten von Eerdekens als „skandalös“ bezeichnet und vom Minister eine Entschuldigung dafür verlangt, einen Dopingfall öffentlich gemacht zu haben, der bei Lichte betrachtet gar keiner sei.
In der Probe von Swetlana Kusnetsowa, 19, im vergangenen Jahr Siegerin bei den US Open und mittlerweile Nummer fünf der Weltrangliste, war in Charleroi das Mittel Ephedrin gefunden worden. Was die Betroffene auch nicht überrascht; sie sei damals erkältet gewesen und habe dagegen ein Hustenmittel genommen, ließ sie gestern in einer Erklärung mitteilen. Im Übrigen sei sie stolz darauf, eine saubere Athletin mit höchster Integrität zu sein. Sie sei allein 2004 mehr als zehnmal getestet worden und nie positiv gewesen. Auch deshalb fühle sie sich verletzt durch die schändlichen Beschuldigungen.
Die Sache ist die, dass es im Tennis nicht verboten ist, Ephedrin außerhalb des Wettkampfes einzunehmen. Das ist keine Sonderregel der in Sachen Doping-Bekämpfung schon oft kritisierten Organisationen ITF (Internationaler Tennisverband), ATP (Männertennis) und WTA (Frauentennis), sondern entspricht den Paragrafen der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada. Da ein Einladungsturnier – in Tenniskreisen gern mit dem englischen Ausdruck exhibition bezeichnet – kein offizieller Wettkampf ist, seien die Vorwürfe des Ministers von Anfang an haltlos gewesen, meint WTA-Chef Scott. Und er findet es besonders empörend, dass die Spielerinnen die Anschuldigungen aus der Zeitung erfahren hätten, dass weder die WTA noch die ITF noch der Russische Tennisverband noch Tennis Australia, Ausrichter der Australian Open, informiert worden seien. „Es ist einfach schändlich, wie eine verantwortungslose Person den Ruf eines sauberen Sports und dreier großer Spielerinnen schädigen kann.“
Scotts Aufregung wirkte in Ansätzen verständlich, stand aber auch etwas schräg in der Landschaft angesichts des bisher wenig überzeugenden öffentlichen Umgangs der Tennis-Organisationen mit realen oder vermeintlichen Dopingfällen. Im Gegensatz zur großen Mehrheit der Internationalen Sportorganisationen haben bisher weder WTA noch ATP den Kodex der Wada unterschrieben, die ITF hingegen schon, auch um die olympische Zugangsberechtigung nicht zu verlieren. Scott verwies darauf, die Vorgaben seiner Organisation entsprächen zu 90 Prozent dem Kodex der Wada, im Übrigen sei er zuversichtlich, dass die WTA schließlich auch unterschreiben werde.
Die Spielerinnen gehen auf unterschiedliche Weise mit der Situation um. Kusnetsowas Doppelpartnerin Alicia Molik aus Australien versuchte ihren Ärger über die vorschnellen Anschuldigungen loszuwerden, indem sie morgens im Zeitungsladen an der Ecke alle Zeitungen kaufte, auf deren Titelseite die Geschichte groß aufgemacht war, und sie dann in den Papierkorb warf.
Elena Dementjewa dagegen, die zum Kreis der Beschuldigten gehörte, ging auf Distanz zu Kusnetsowa. Auf die Frage, ob sie mit der Landsfrau über den Fall gesprochen habe, antwortete sie, dazu habe sie nicht die geringste Lust gehabt. Und auch die WTA kam bei ihr nicht gut weg. „Die haben versucht, mit der Situation umzugehen, indem sie sagen, es gebe drei Opfer. Aber ich sehe nur zwei: mich und Nathalie Dechy. Wir hatten nichts, aber auch gar nichts mit der Sache zu tun.“ Der Ärger war groß, doch er sackte nicht in die Beine: Kusnetsowa hatte am Montag in zwei Sätzen gewonnen, Dienstag zogen Dementjewa und Dechy nach.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen