„Die deutsche Studiensituation darf nicht zersplittern“

Bei den Unigebühren wird auch nach dem Verfassungsurteil die letzte Messe noch nicht gelesen sein. fzs-Sprecherin Hirsch will Studiprotest organisieren – und hofft auf die SPD

taz: Der Countdown läuft. Kommende Woche entscheidet Karlsruhe über Studiengebühren – womöglich pro Bezahlstudium. Was macht die organisierte Studierendenschaft jetzt?

Nele Hirsch: Moment mal, wie die Richterinnen und Richter letztlich entscheiden, ist pure Spekulation. Niemand kann das vorhersagen. Sicher ist nur eins: Wir werden versuchen, die Gebührendebatte von der juristischen auf die politische Ebene zurückzuholen.

Was heißt das?

Nur weil ein Gericht irgendetwas entscheidet, heißt ja nicht, dass unsere Argumente falsch würden. Der Bund muss die Kompetenz haben, Studiengebührenverbote bundesweit zu verbieten. Eine Mehrheit des Bundestages hat das so entschieden. Richtig, wie wir finden, weil sonst die Studiensituation in Deutschland vollkommen zersplittern würde.

Gibt es konkrete Pläne für den Urteilstag?

Wir werden am 26. Januar die Studierenden in vielen Vollversammlungen zeitgleich über das Urteil informieren. Die sollen live miterleben, was Sache ist. Dann wird auch eine bundesweite Resolution abgestimmt – gegen Studiengebühren und für die Verfasste Studierendenschaft, die ja gleich mitverhandelt wird. Zudem werden Studierende ihre WissenschaftsministerInnen besuchen.

Glaubt ihr, dass sich die Studierenden mobilisieren lassen? Bislang sieht es eher mau aus, gerade mal 100 Leutchen waren bei eurem Treffen in Frankfurt am Wochenende.

Ziel von Frankfurt war keine Massenmobilisierung. Das Ergebnis zählt. Wir haben in Frankfurt ein Bildungsforum veranstaltet, bei dem ein Protestkalender herauskam: Schon am 3. Februar gibt es dezentrale Demonstrationen in Hamburg, Leipzig und Mannheim. Wir arbeiten auf einen bundesweiten Protest hin, der die Ausmaße des 97er-Hochschulstreiks übertreffen soll.

Na, viel Glück. Damals waren Tausende auf den Straßen.

Das stimmt. Aber diesmal geht es um mehr. Wir stehen vor einer grundlegenden Umgestaltung des ganzen Bildungssystems. Wenn das Gebührenverbot fällt, endet eine rund 40-jährige Phase nahezu gebührenfreien Studiums. Wir wollen diese Errungenschaft nicht preisgeben – und die Studierenden auch nicht.

Bist du sicher? Das Gebührenverbot bröckelt selbst in euren studentischen Reihen.

Nein. Bei unseren Adventsaktionen haben Tausende spontan gegen Gebühren unterschrieben und sich an lokalen Aktionen beteiligt. Wenn erst einmal konkrete Pläne für das Bezahlstudium vorliegen, werden Tausende von Studierenden ihren Unmut äußern. Dann ist wirklich jeder und jede betroffen. Die Bündnisse formieren sich. Gewerkschaften und SchülerInnen stehen hinter uns. Auch die SPD will am Studiengebührenverbot festhalten.

Die SPD wollte schon vieles. Die politische Linie bestimmen geschickte Abweichler.

Das mag sein. Tatsache ist, dass die SPD Bildung zu ihrem Lieblingsthema machen will – gegen den konservativen Mainstream, der sich übers Land ergießt. Die SPD steht vor der Herausforderung, einen überzeugenden Gegenentwurf zu neoliberalen Bildungskonzepten zu formulieren. Wir beobachten das interessiert und unterstützen alles, was ein soziales und demokratisches Bildungssystem befördert. Zum Beispiel die „Schule für alle“ in Schleswig-Holstein oder eine grundlegende Bafög-Reform. Anstatt Konzepte der Opposition sozialdemokratisch umzufärben, sollte sich die SPD klar abgrenzen. Initiativen wie die Elite-Unis sind da eher verstörend.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER