Besuch von den ALG-Sheriffs

Mit Kontrollbesuchen will die Stadt Essen gegen den Missbrauch von Arbeitslosengeld II vorgehen. Die rechtliche Grundlage der Bespitzelung ist umstritten. Berater: „Reinlassen muss die niemand.“

VON ULLA JASPER

Der Antrag der Essener Ratsfraktionen von CDU, FDP und Grünen, mit Hausbesuchen gegen den angeblichen Missbrauch von Arbeitslosengeld II-Zahlungen vorzugehen, hat bei Betroffenen zu erheblicher Kritik geführt und Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens geweckt.

In ihrer gemeinsamen Stellungnahme hatten die Parteien gefordert, den bisherigen Kontrolldienst des Sozialamts, der den Missbrauch bei Sozialhilfe aufdecken sollte, in Zukunft auch zur Überwachung der ALG II-Empfänger einzusetzen. Die Kontrolleure sollen feststellen, ob die Antragsteller etwa in einer „eheänlichen Gemeinschaft“ leben oder ob ein Antrag auf Beihilfe für die so genannten „Erstausstattungsgegenstände“ tatsächlich berechtigt ist.

„Ich glaube, dass weitere Kommunen demnächst nachziehen werden, aber das ist rechtlich völlig unzulässig“, sagt Harald Thomé von der Wuppertaler Sozialberatungsstelle Tacheles. Er verweist auf ein Gutachten des Datenschutzbeauftragten des Landes NRW aus dem Jahre 2001, in dem rechtliche Bedenken an der Praxis der Hausbesuche deutlich werden. „An der rechtlichen Situation hat sich auch mit Einführung des ALG II nichts geändert“, so Thomé. So dürften die Mitarbeiter des so genannten Bedarfsfeststellungsdienstes die Wohnung nur mit Zustimmung der Antragsteller betreten. „Reinlassen muss die niemand“, es gelte die Unverletzbarkeit der Wohnung. Doch zum einen wüssten das viele Antragsteller nicht, zum anderen drohten denen, die sich weigern, dann möglicherweise Konsequenzen durch die Fallbearbeiter.

Auf Bedenken stoßen die Essener Pläne jedoch auch bei der örtlichen Arbeitsgemeinschaft (Arge), die von Kommune und Arbeitsagentur gegründet worden war, um die Auszahlung des ALG II zu organisieren. So ist bisher nicht geklärt, wer die Hausbesuche durchführen soll. Wenn die Stadt Essen solche Besuche durchführen wolle, könne sie das natürlich tun, so ein Mitarbeiter der Arge. Völlig unklar sei jedoch, wie die Ergebnisse in die Arbeit der Arbeitsagentur einfließen sollen. „Da fängt die rechtliche Problematik doch schon an.“

Auch die PDS-Fraktion im Essener Rat hatte bemängelt, dass aus dem schwarz-gelb-grünen Antrag nicht hervorgehe, wo der Außendienst angesiedelt werden soll. Für die Auszahlung des ALG II-Geldes sind sowohl die Kommunen als auch die Arbeitsagenturen verantwortlich.

Die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit versucht unterdessen, die Kritiker zu beschwichtigen. Die Agentur wolle den Antragstellern keinen Missbrauch unterstellen. Kontrollbesuche sehe man deshalb gar nicht vor, „höchstens Besuche zur Bedarfsfeststellung“, wie ein Sprecher erklärt. Im übrigen könne die Arbeitsagentur aber nichts dagegen tun, wenn Kommunen von sich aus entschieden, Hausbesuche bei den ALG II-Empfängern durchzuführen.