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: Heinzi im Glück

Huberta Knöringer (57) ist es gewohnt, dass man über sie schreibt. Die Münchner Richterin hat nur ein Problem mit Artikeln, die nicht nach ihrem Geschmack sind. Bei der „Abendzeitung“ kommt man ihr da gern entgegen.

Als Spezialistin für Wirtschaftsdelikte muss Knöringer öfters über Prominente urteilen – etwa über Boris Becker und seine Steuerschulden, über die Haffa-Brüder und ihre Börsenmauscheleien oder, zurzeit, über Karl-Heinz Wildmoser Junior, genannt „Heinzi“, der schwer im Verdacht steht, bei der Ausschreibung zum Bau des neuen Stadions in München gegen ein paar Millionen Euro Geschmiertes die nötigen Tipps an eine österreichische Baufirma gegeben zu haben. Es sieht nicht gut aus für den Angeklagten. Doch wenn Heinzi Glück hat, platzt der Prozess. Denn sein Verteidiger Peter Gauweiler hat innerhalb weniger Tage gleich zwei Befangenheitsanträge gegen die Vorsitzende Richterin Knöringer formuliert – weil die etwas zu aktiv Pressearbeit in eigener Sache betrieben hat.

Zum Auftakt des Wildmoser-Prozesses am 30. November 2004 titulierte die Münchner Abendzeitung Frau Knöringer als „Richterin Gnadenlos“, vor der Heinzi zittern müsse. Die Formulierung war substanzlos – weder die Urteile gegen Becker noch gegen die Haffas fielen allzu drastisch aus. Wenig verwunderlich also, dass Richterin Knöringer angesichts der Schlagzeile schäumte, zumal sie sich mit dem ursprünglichen „Richter Gnadenlos“ alias Ronald B. Schill gleichgesetzt fühlte. Allerdings wehrte sich Knöringer nicht juristisch, sondern forderte von der Abendzeitung, wie sie selber zugibt, eine Wiedergutmachung „im Zuge der Berichterstattung“. Beim Boulevardblatt fürchtete man angesichts des heftigen Konkurrenzkampfs auf dem Münchner Zeitungsmarkt offenbar um die guten Kontakte zur Justiz und bemühte sich, der Richterin Gutes zu tun.

Sich von der eigenen Schlagzeile offen zu distanzieren, wäre peinlich gewesen – und als Knöringer ein demütiges Entschuldigungsschreiben aus der Chefredaktion gnadenlos abwies, formulierte Andreas Boele, Hausanwalt der Abendzeitung, schließlich eine Art Hommage an die „Top-Juristin“, die plötzlich „für ihre Kombination aus Fachkompetenz und Menschlichkeit“ geschätzt wird. Solches Lob wurde von Knöringer anscheinend auch persönlich für gut befunden, doch in der Redaktion löste die Schleimerei gewisse Übelkeit aus. Anwalt Boele musste ein zweites Mal – zurückhaltender – formulieren, legte auch diesen Artikel vor Abdruck artig der Richterin vor und setzte ihn zur Veröffentlichung durch. Pech nur, dass dieses Lehrbuchbeispiel für das Funktionieren der unabhängigen Presse dem Wildmoser-Heinzi-Anwalt Peter Gauweiler zugetragen wurde.

Rasch war der Befangenheitsantrag formuliert, in dem die Verteidigung der Richterin vorwirft, durch die Korrektur des Artikels „Einfluss auf die freie Berichterstattung genommen und die Verfolgung eigener Ansprüche mit dem Strafverfahren“ verbunden zu haben. Der erste Antrag wurde zwar abgelehnt, aber Schaden und Spott dürfen sich Gericht und Zeitung nun teilen.

Ob Heinzi im Gefängnis aus Dankbarkeit die Abendzeitung abonniert hat, ist nicht bekannt.

JÖRG SCHALLENBERG