Großer Etikettenschwindel beim Essen

Pünktlich zum Beginn der Grünen Woche kritisieren Verbraucherschützer: Lebensmittelhersteller führen die Konsumenten in die Irre. Bestes Beispiel sei der „Schwarzwälder Schinken“, der selten aus dem Schwarzwald käme. Jetzt sollen neue Gesetze her

VON JOCHEN SETZER

Erstmals wird Karel Gott heute Abend die Eröffnung der Grünen Woche besingen. Ansonsten stehen die üblichen Themen auf dem Programm: Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau. Mehr als 1.600 Aussteller aus 55 Ländern werden Lobby machen, ihr Image polieren – und ihre Produkte anzupreisen. Ab Freitag 13 Uhr sind die Berliner Messehallen dann für Besucher geöffnet.

Schwarzwälder Schinken und Babynahrung aus kontrolliertem Anbau – was verbirgt sich hinter diesen wunderbaren Etiketten? Halten Hersteller eigentlich, was sie mit ihren Lebensmitteln versprechen? „Nein“, kritisierte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) gestern. „Schönfärbende Worte und Kennzeichnungen vermitteln das gewisse Extra“, so die Präsidentin Edda Müller. Doch besage die Etikettierung „Schwarzwälder Schinken“ noch lange nicht, dass die verwendeten Schweinekeulen auch tatsächlich dieser Region entstammten.

Der Verbraucher hingegen assoziiert selbstverständlich ein glückliches Schwein, umgeben von viel grüner Natur. Geschuldet ist diese Verwirrung den EU-Rechtsvorschriften für Herkunftsbezeichnungen: So gibt es gleich eine ganze Reihe von Siegeln, die schwer zu unterscheiden sind. Der Verbraucher geht eben immer davon aus, dass ein Huhn, abgebildet auf der grünen Wiese, auch dort „aufgewachsen“ ist. Das ist aber nur selten der Fall, so der vzbv.

Leiden müssen darunter diejenigen Anbieter, die ihre Ware wirklich authentisch kennzeichnen, wie etwa beim „Allgäuer Emmentaler“. Dieser darf tatsächlich nur in Allgäu-Regionen hergestellt werden. Die Milch stammt ausschließlich von Kühen, die dort auch grasen.

Nach Rinderwahnsinn und Schweinepest halten viele Verbraucher konventionelle Landwirtschaft für „problematisch“. Deshalb halten sie sich nun an Aufdrucke wie „kontrollierter Anbau“. Dieser Hinweis sei aber, so die Verbraucherschützer, völlig bedeutungslos.

Folge der Täuschung: Der Konsument verliert immer mehr das Vertrauen in alle Lebensmittel. Selbst diejenigen, die eigentlich das Besondere suchten, würden so zum kompromisslosen „Billig-Preis-Nachfrager von morgen“, prophezeite Edda Müller.

Die Verbraucherschützerin forderte die Bundes- und Länderregierungen deshalb auf, irreführende Etiketten zu verbieten. Die EU-Vorschriften müssten entsprechend geändert werden. Zugleich müssten staatliche Kontrollen erweitert werden.