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Einig, aber doch nicht stark

Beirat des Bundestages für Nachhaltigkeit legt erstes gemeinsames Papier vor: Darin kritisiert er die Strategie des Bundes und fordert einen Nachhaltigkeits-Check für alle Gesetze. Union macht mit, signalisiert jedoch Widerwillen

BERLIN taz ■ Erstmals melden sich fraktionsübergreifend die Nachhaltigkeitspolitiker im Bundestag zu Wort: mit Lob und Kritik am Fortschrittsbericht der Bundesregierung zur Nachhaltigkeitsstrategie, die gestern im Bundestag zur Debatte stand. „Licht und Schatten“ sieht der Beirat in der Strategie des Bundes, lobt die „ehrgeizigen und anspruchsvollen Ziele“ der Regierung und einige Fortschritte – vor allem bei der Förderung der erneuerbaren Energien.

Allerdings, so urteilen die im Beirat für nachhaltige Entwicklung versammelten Abgeordneten in ihrem Papier, solle der Bund Zielkonflikte und nicht Erreichtes „ehrlicher thematisieren“. So vermisst der Beirat eine Analyse, „warum die langjährigen Anstrengungen zur Verlagerung des Verkehrs weg von der Straße bisher gescheitert sind“.

Auch vorm Parlament macht der Beirat nicht Halt: Künftig sollen alle neuen Gesetzesentwürfe einem „ehrlichen Nachhaltigkeits-Check“ unterzogen werden. Wie wirkt das Gesetz auf künftige Generationen? Dafür könnte man eine „Generationenbilanz“ ziehen. Zudem sollen Gesetze nach einer Weile überprüft werden, ob sie wirklich zum geplanten Ziel geführt haben.

Einig ist sich der Beirat auch über die Grenzen von Regierung und Opposition, dass die „biologische Vielfalt“ und eine „nachhaltige Finanzpolitik“ als Schwerpunkte in die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes aufgenommen werden sollten. Auch regt das Gremium an, sich mehr mit den Folgen des demografischen Wandels für die Infrastruktur zu befassen – anstatt immer nur auf die Sozialsysteme zu starren. Es drohten Fehlinvestitionen in Straßen und Gebäude, wenn man dies unterlasse.

Gegen großen Widerstand in den beiden Volksparteien hatte sich der Nachhaltigkeitsbeirat vor einem Jahr konstituiert. Die Stellungnahme zur Strategie des Bundes war die Nagelprobe – würden die Parlamentarier mit einer Stimme sprechen? Ansonsten, das war von Anfang an klar, würde der Beirat – dem die Fraktionskollegen bewusst die Weihen eines richtigen Bundestagsausschusses verweigerten – kein Gehör finden.

Das gelang so einigermaßen: Zwar konnte man sich über langfristige Ziele, wie Klimaschutz oder weniger Flächenverbrauch, verständigen – über den Weg dahin weichen die Meinungen teils erheblich ab. Dennoch ist bei den Vertretern von SPD, FDP und Grünen das Bemühen zu spüren, an einem Strang zu ziehen. Unklarer ist die Rolle des stellvertretenden Vorsitzenden Ralf Brauksiepe (CDU), dem der Widerwillen gestern auf der Pressekonferenz deutlich anzusehen war. Er betonte die Widersprüche im Rat und redete das Erreichte klein.

Dabei hat der Beirat – abgesehen von den großen Streitthemen wie Atomkraft, Haushaltspolitik und Gentechnik – zu einer erstaunlich einheitlichen Haltung gefunden. Und es verwundert, zu welch kleinlichen Minderheitsvoten sich die Union hinreißen ließ. So etwa die Behauptung, dass die Ökosteuer an Punkten angreife, „die kaum Spielräume für eine Lenkungswirkung haben und daher als reine Abgabenerhöhung wirken“.MATTHIAS URBACH

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