Piratenjagd bis zu den Seychellen

BUNDESWEHR Die Ausdehnung des Mandats zur Piratenjagd hat ein entscheidendes Problem: Mit der gleichen Anzahl von Kriegsschiffen soll jetzt noch ein Teil des Indischen Ozeans bewacht werden. Kaum zu schaffen

Mission „Atalanta“: Seit Dezember 2008 ist die EU vor der Ostküste Afrikas auf Piratenjagd. Die deutsche Marine stellt derzeit 3 von 13 europäischen Kriegsschiffen der Mission „Atalanta“: die Fregatten „Emden“, „Rheinland-Pfalz“ und den Einsatzgruppenversorger „Berlin“ mit über 600 Soldaten. Das Mandat läuft bis zum Dezember 2009, wird dann aber sicher verlängert werden müssen.

■ Akteure: Außer „Atalanta“ jagt auch die Nato Piraten, wenn sie gerade da ist. Die Operation Enduring Freedom (OEF), die ursprünglich der Terrorbekämpfung dienen sollte, hilft mit der „Task Force 150“ bei der Seeräuberjagd. Mit explizitem „Counter-Piracy“-Auftrag hat die US-Marine eine „Task Force 151“ gegründet, an der sich unter anderen Kanada, Pakistan und Singapur beteiligen. Staaten wie Russland und Indien sind unter nationalem Kommando vertreten. Insgesamt sind derzeit laut Verteidigungsministerium 43 Kriegsschiffe vor Ort. UWI

VON ULRIKE WINKELMANN

Noch im Juni wird der Bundestag eine Ausdehnung des Mandats zur Piratenjagd beschließen. Das Kabinett winkte am Mittwoch einen von den EU-Verteidigungsministern vorformulierten Entschluss durch, nach dem das zu überwachende Gebiet vor Ostafrika bis zur Inselgruppe der Seychellen tief im Indischen Ozean ausgeweitet werden muss. Damit vergrößert sich das Einsatzgebiet der EU-Mission „Atalanta“ von 3,5 auf über 5 Millionen Quadratkilometer – von 10- auf 14-mal Bundesrepublik.

„Die Piraten sind auf andere Gewässer ausgewichen, deshalb vergrößern wir das Gebiet“, erklärte der Sprecher von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Mittwoch. Dies spreche für den Erfolg der Mission. Die Zahl der zur Piratenjagd eingesetzten Kriegsschiffe soll vorerst jedoch nicht erhöht werden. Damit verschärft sich das Problem, das die „Atalanta“-Mission seit ihrem Beginn im vergangenen Dezember hat: Wie soll die Piratenbekämpfung mit ein paar Dutzend Schiffen auf Millionen von Quadratkilometern funktionieren?

„Das ist, als wenn Sie einen Polizisten in 13 Hauptstädten Europas einsetzen“, sagt Max John, Sprecher der Verbands Deutscher Reeder. „Wir wünschen uns wirklich mehr Schiffe.“ John erklärt, dass weitere – nicht unbedingt deutsche – Kriegsschiffe vom Ministerium auch schon vage in Aussicht gestellt würden.

Um diese Aussicht nicht zu gefährden, bezeichnet der Reeder-Sprecher die jüngsten Anwürfe des Verteidigungsministers auch nur als „missverständlich“. Jung hat sich im Handelsblatt vom Mittwoch gewünscht, „dass deutsche Schiffe nicht nur deutschen Reedern gehören, sondern dann auch möglichst unter deutscher Flagge und mit deutschen Arbeitskräften fahren“. Es kämen auch zu viele Schiffe „unangemeldet in das Seegebiet“.

Jungs Sprecher bestritt am Mittwoch, dass es sich hier angesichts der Gebietsausdehnung um einen Versuch handele, die Schuld an weiteren Schiffsentführungen den Eignern zuzuschieben. Den Reedern müsse bewusst sein, dass „Atalanta“ erstens die Nahrungsmittellieferungen an Somalia schütze, dann die europäisch beflaggten Schiffe und zuletzt alle anderen.

Das International Maritime Bureau hat Mitte Mai gezählt, dass es Piraten vor Somalia im Jahr 2008 bei 111 Angriffen 42-mal gelang, Schiffe zu kapern. Im Jahr 2009 gab es bereits 114 Angriffe, von denen aber nur 29 erfolgreich waren. Der britische „Atalanta“-Kommandeur Philip Jones erklärte dies zu einem Erfolg, bestätigte aber auch, was vor ihm hinter vorgehaltener Hand bereits andere Marinesoldaten auch in Deutschland gesagt hatten: „Wir brauchten buchstäblich hunderte von Schiffen. Aber immerhin erreichen wir überhaupt etwas.“

Auch das Einsatzführungskommando in Potsdam verweist auf die Verantwortung der Reeder. Die deutsche „MV Victoria“, die derzeit in Piratenhand ist, sei ein extrem gefährdetes Schiff: 12 Knoten langsam, Bord knapp 1,50 Meter überm Wasser. „Und die fuhr in einem nicht bewachten Konvoi“, sagt Fregattenkapitän Roland Vogler-Wander. „Sie wurde von den Piraten gepflückt wie eine goldene Kuh. Die hätte so nie fahren dürfen.“ Das hohe und schnelle deutsche Containerschiff „Hansa Stavanger“, das seit Anfang April entführt ist, habe sich entgegen den Warnungen nicht 800, sondern 400 Meilen von der Küste bewegt.

Unwahrscheinlich bleibt, dass sich die rund 40 Kriegsschiffe der vielen verschiedenen Antipiratenmissionen wenigstens unter einem Dach koordinieren. Die EU ist sehr stolz auf ihre erste Mission zur See. Die USA werden ihre Hoheit in der Nato nicht abgeben – China oder Indien sich bestimmt nicht bei EU oder Nato einordnen. So wichtig, dass Streitmächte sich unter einen Hut begeben, ist der Schutz der Handelswege dann doch nicht.