Urban und sinnlich? Uns zuliebe!

Die Internationale Grüne Woche 2005 ist nicht nur Ernährungsmesse, sondern auch Imageveranstaltung. Das gilt ebenfalls für die Ökobranche, die in der Halle „Bio and the City“ den Genuss- und Spaßfaktor betont. Die Avantgardezeiten sind vorbei

VON TILMAN VON ROHDEN

Ökolandbau und Bioprodukte brauchen ein neues und moderneres Image. So sieht es jedenfalls die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA), die größte Organisation zur Vermarktung von Lebensmitteln in Deutschland. Sie vertritt überwiegend die Interessen der konventionell anbauenden Landwirte. Allerdings hat sie sich schon in der Vergangenheit gemäß ihrem Auftrag um die Vermarktung von Bioprodukten gekümmert. Schließlich zahlen auch Biobauern ihre Beiträge an die CMA und haben deswegen Anspruch auf eine Unterstützung ihrer Arbeit. CMA-Sprecher Detlef Steinert kleidet die Tätigkeit seines Verbandes in die Formulierung: „Wir tun alles und für jeden, solange es der deutschen Landwirtschaft von Nutzen ist. Das ist unser Auftrag.“

Ein neues Image von Bioprodukten entsteht nicht von allein. Nach dem neuen Kommunikationskonzept der CMA soll mit den Begriffen „Bio“ und „Öko“ nicht mehr die ländliche Idylle mit gesunden Kühen oder Schweinen und naturverbundenen Bauern assoziiert werden, sondern eine urbane Lebensweise, in der Genuss und Lifestyle einen zentralen Stellenwert einnehmen. „Wir wollen weg vom Vorurteil, Bio sei langweilig, verstaubt und nur etwas für eingefleischte Ökofans“, sagt Detlef Steinert.

Der Versuch, dem Ökolandbau ein neues Image überzustülpen, ist eine Marketingaktion – und zugleich eine Anpassung an die Realitäten. Und diese sieht so aus: Über den Direktverkauf werden 17 Prozent aller Bioprodukte abgesetzt. Aber über Naturkostläden, Biosupermärkte sowie den klassischen Lebensmittelhandel sind es über 50 Prozent. Mehr als die Hälfte aller Bioprodukte werden also in urbanen Räumen gekauft und konsumiert.

Kunden von Bioläden in den Städten sind keine Avantgarde mehr, ihr Konsumverhalten unterscheidet sich kaum noch von Käufern herkömmlicher Produkte. Einzig bei der Produktauswahl gehen sie andere Wege. Zudem werden nach Angaben der CMA die Käufer von Bioprodukten immer jünger und wird die Bioszene damit trendiger. Die neue Kampagne geht daher gezielt auf den persönlichen Lebensstil dieser Verbraucher ein: Bio ist ein sinnliches Vergnügen und macht Spaß. Diese Botschaft fasst die Kampagne im Slogan: „Bio. Mir zuliebe.“

In diesem Spruch kulminiert das Kommunikationskonzept der Vermarkter. Sie lockern den Zusammenhang mit traditionellen Konsumentengruppen aus dem alternativen Bereich und zielen auf ein hedonistisch orientiertes Publikum, das sich als stark individualisiert wahrnimmt. „Wir wollen das Wollsocken-Image der Bioszene, das von den Alt-68ern seinen Ursprung nahm, überwinden“, sagt Detlef Steinert.

Einen ersten Eindruck vom anzustrebenden Imagewechsel erhalten Besucher der Grünen Woche während einer Visite der Halle „Bio and the City“ (Halle 6.2a). Sie soll als eigenständiger Ausstellungsbereich erkennbar sein und ist gleichsam eine materialisierte Form des neuen Kommunikationskonzepts der CMA. An den Zugängen zur Halle markieren Ortseingangsschilder die „Stadtgrenze“ von Bio-City. Statt der üblichen nummerierten Messestände ordnen sich die Stände nach städtischen Ordnungsprinzipien: Die Wege durch die Messehalle tragen Namen, Ortsschilder und städtische Kulissen sollen ein Übriges für ein urbanes Flair tun. Alle großen Boulevards führen zur zentralen Bio-Plaza, dem Schauplatz des Rahmenprogramms aus Infos, Events und Musik.

Prominente wie Fernsehkoch Ralf Zacherl sollen das Publikum in den Bann schlagen. Jeden Tag gibt es ein Frühstück speziell für Kinder. An Jugendliche wendet sich „Bio-City Reporter für einen Tag“: Ein Team aus jeweils zwei Schülern im Alter zwischen 14 und 19 Jahren trifft sich täglich am Vormittag, um Eindrücke von Bio-City und den Ökolandbau zu sammeln. Anschließend sollen sie journalistisch verarbeitet und am Ende prämiert werden. Zusammen mit Erwachsenen können die Jugendlichen auch an „Bio-Frühstück und Fitness“ teilnehmen: Neben ein paar Leckereien steht ein Frühstückstalk. Damit die Pfunde nicht wuchern, kümmert sich ein Fitnesstrainer um den Astralleib. Bei der Veranstaltung „Bio & Trends“ zeigen mehr oder weniger bekannte Köche was „in“ ist und wie man fantasievolle Biogerichte zubereitet. Auch Hintergrundthemen wie Aufbewahrung, Kombination und Verarbeitung von Biolebensmitteln sollen dabei angesprochen werden. Andere Gemüter fahren wohl eher auf die angebotenen Gewinnspiele ab. Gänzlich verspielte Naturen greifen zum täglichen Bingo-Spiel.