Waiting for our man

Prunksters (16) – die wöchentliche Kolumne aus den USA von Henning Kober. Heute: Mit Yehuda an der Bar

Abschied ist Asbest. Andererseits ist es der Abend vor dem Aufbruch und Romantik der schönste Luxus des Tages. An der Bar im „Relish“, meinem liebsten Diner in den letzten vier Monaten: Das Licht ist rot, spiegelt sich im Silber des an den Straßenrand geparkten Trailers. Leere Red Bull ohne Zucker stehen da, Wodka im Glas. Rechts und links Brüder der Flatterstimmung. Sprechen ist schwieriges Silber. Der im Parka hat einen guten Start. Er mag The Ataris, eine Punk-Band, deren Namen über meine Brust gedruckt ist. Wir kriegen neue Gläser. Yehuda ist sein Name, „Judas“ sagt er, zieht seine Lippe hinter die Zähne. Im letzten Jahr haben wir ohne Wissen in der gleichen Berliner Straße gewohnt. Kennen gleiche Gesichter. Er kann lustige David-Geffen-Geschichten erzählen. Über den Venen an seinem Handgelenk frische Stiche. Ein Totenkopf in Blaugrün. Souvenir aus Haifa, da ist er aufgewachsen und gerade zurück von Freunden und Familie. Wir sind einig, Reisen, Weiterziehen ist schick. Frei wird der Mensch im Moment. „Trotzdem bekomme ich jedes Mal einen Tumor aus Furcht, nicht mehr zurückzukommen.“ Beide haben wir Angst vor dem größten Risiko jeden Tages, dem Sterben. Beide sind wir angekratzt. Yehudas Telefon leuchtet. Der Mann wartet draußen im Wagen.

Ansagen ist Ankommen. Yehuda ist offenbar ein Meister darin. Der Mann gibt uns einen Lift. Yehuda wohnt neben Adam Green, Lorimer Stop. Seine Wohnung ist riesig und fast leer. Der schöne Schmetterling der Liebe, der ihn vor zwei Jahren nach New York gezogen hat, hat ihm jetzt die Wohnung ausgeräumt. Bett, Computer, Stereo, alles weg. Egal, „Beziehungen sterben, Liebe nicht.“ Wir sitzen in der Küche, hören Punk auf Hebräisch. Unter dem Parka trägt Yehuda ein Hemd von den Brooks Brothers, Stoffhose, italienische Schuhe. „Judas lebt zwei Leben.“ Die Rechnungen bezahlen Deals mit Wohnungen. Die Freunde treffen sich an Orten, wo man von Revolution träumt. Er legt Platten für sie auf. „Manchmal kann ich nicht mal das Hemd wechseln.“ Yehuda rollt das Papier lang, schlank um den Tabak. Wir bestaunen ein wie von Jackson Pollock gemaltes Bild an der Wand. „Siehst du, was ich sehe?“ Nach zehn und einer Minute zeichnet sich zwischen die blau-roten Kleckse ein Gesicht. Es könnte das von David Geffen sein.

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