CDU sieht Gymnasium in Gefahr

Grüne wollen Gesamtschule. In Schleswig-Holstein sind auch SPD und Bürger dafür. Einsam kämpft die CDU fürs Gymnasium – das könnte bundesweit Schule machen

KIEL taz ■ Neun Jahre gemeinsamer Unterricht, kein Sitzenbleiben, Lehrer ohne Beamtenstatus – gestern stellten die Grünen in Kiel ein Eckpunktepapier zur Schul- und Bildungspolitik vor. Angereist waren auch Parteichef Reinhard Bütikhofer und die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Krista Sager, um die „Kieler Erklärung“ zu präsentieren. Ausgearbeitet haben es die vier grünen Landtagsfraktionen in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

„Keine Gleichmacherei, sondern individuelle Förderung“, so fasste Karl-Martin Hentschel aus Schleswig-Holstein das Konzept zusammen: In einer Klasse sollen die Kinder je nach Können verschieden schwierige Aufgaben lösen. Der starre 45-Minuten-Takt soll aufgelöst werden; die Schulen dürfen selbst entscheiden, wen sie einstellen und wo sie Schwerpunkte setzen. Tests soll es noch geben – doch sollen sie vor allem etwas darüber aussagen, ob ein Kind zusätzliche Förderung braucht und nicht dazu dienen, Leistungsschwache auszusortieren, sagte Christa Goetsch aus Hamburg.

Weitere Bausteine sind eine neue Lehrerausbildung sowie „Schulassistenten“, die die Lehrer unterstützen. Ganztagsangebote sollen Vereine, Senioren, Handwerker und andere Gruppen einbeziehen. Die Schuldauer soll auf zwölf Jahre begrenzt werden; nach neun gemeinsamen Jahren schließt sich eine Oberstufe an, die zum Abitur führt.

Bütikofer war durchaus einverstanden, „aber die konkreten Schritte müssen die Länder gehen“. Wenn sich die Landtagsfraktionen einigten, könnten die Grünen damit in den Bundestagswahlkampf ziehen, ohne die Kompetenzen der Länder zu verletzen. Um das Konzept zu finanzieren, soll umgeschichtet werden. „Wir geben zu viel für die Oberstufe aus“, monierte Hentschel. Geld würde auch gespart, wenn es keine Sitzenbleiber mehr gebe – sie kosten allein in Hamburg pro Jahr 21 Millionen Euro, hat Goetsch berechnet.

Es sei „mutig“ von den Grünen in Schleswig-Holstein, meinte Sager, das Thema jetzt so offensiv zu vertreten. Tatsächlich wird die Landtagswahl am 20. Februar entscheiden, wie lange Kinder gemeinsam zur Schule gehen sollen – zumal auch die SPD ein Gesamtschulkonzept vertritt.

Mit Schule Wahlkampf zu machen, ist allerdings nicht mehr so richtig mutig: Die Bürger in Schleswig-Holstein sind inzwischen mehrheitlich für die Gesamtschule, wie eine Umfrage zeigt, die die SPD in Auftrag gegeben hatte. Negative Erfahrungen musste hingegen die CDU machen, die klar für ein dreigliedriges System eintritt. Sie kippte ihr Internetforum zum Thema eilig aus dem Netz: „technische Mängel“. So viel Zuspruch macht das Thema bundespolitisch interessant – da reist die grüne Spitze gern nach Kiel.

ESTHER GEISSLINGER