DIE LATEINAMERIKA-POLITIK BUSHS FOLGT SCHLECHTEN TRADITIONEN: Macht im Hinterhof
George W. Bush spricht und handelt in der Tradition seiner Vorgänger. Das ist das Problem – auch und gerade für Lateinamerika. Der größte Trost für die dortige Bevölkerung ist, dass die Neokonservativen um Bush zu sehr mit dem Nahen Osten beschäftigt sind, als dass sie sich um ihren südlichen Hinterhof kümmern könnten. Die imperialistische Politik der USA geht dort bis ins 19. Jahrhundert zurück, 1823 wurde sie auf die Formel „(Ganz) Amerika den (Nord)-Amerikanern“ gebracht.
Mit der ideologischen Begleitmelodie von Freiheit und Demokratie für den Rest der Welt wollen die USA seit jeher ihre Interessenpolitik überspielen. Das Völkerrecht stört dabei eher. 1986 etwa verurteilte der Internationale Gerichtshof Washington wegen des gar nicht so verdeckten Krieges gegen Nicaragua. Ronald Reagan scherte dies wenig, und die Staatengemeinschaft sah zu.
Seit 2001 hat der „Antiterrorkampf“ den „Drogenkrieg“ als wichtigste Rechtfertigung für die Militarisierung des Andenraumes abgelöst. Als schwacher Staat rückt Bolivien immer mehr ins Visier der US-Strategen. Freiheit oder Freihandel heißt für sie, die Märkte für ihre Multis zu öffnen – wenn es multilateral nicht geht, dann eben bilateral. Dass die USA bald in großem Stil militärisch in Lateinamerika intervenieren, ist dennoch unwahrscheinlich. Viel lieber verlässt man sich auf treue Statthalter wie Kolumbiens Staatschef Álvaro Uribe. Die UNO muss in dieser Logik der Machtpolitik auf eine Statistenrolle beschränkt bleiben. Kofi Annans Entscheidung, seinen Friedensbeauftragten aus Kolumbien abzuziehen, ist ein weiteres Eingeständnis seiner Ohnmacht.
Venezuelas Präsident Hugo Chávez sei eine „negative Kraft in der Region“, Kuba einer von sechs „Außenposten der Tyrannei“, sagte Condoleezza Rice dieser Tage. Sie wolle daran arbeiten, die Vision einer „vollständig demokratischen Hemisphäre“ umzusetzen. Dabei werden die USA wie bisher auf verschiedene Arten der Intervention setzen – militärisch, ökonomisch und diplomatisch. Um Demokratie und Wohlstand geht es dabei zuletzt.
GERHARD DILGER
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