Zwischen Aufbruch und Verlust

In der Selbsthilfegruppe „Schwule Väter Köln“ nehmen schwule Männer, die meist noch verheiratet sind und Kinder haben, das Angebot wahr, über ihre Ängste zu sprechen und Lösungen zu suchen

Von Thomas Spolert

„Ich dachte, meinen Fall gibt‘s gar nicht“, beschreibt Bernd H. seine Gefühle. Der Vater eines Sohnes war beruflich stark eingespannt, geschieden und hatte eine Freundin. Doch plötzlich kamen in ihm erstmals Beziehungswünsche zu einem Mann hoch. „Ich hatte keinen Gesprächspartner, der mich versteht“, berichtet Bernd von seiner Vereinsamung. Dann fiel ihm in einem Kölner Buchladen ein Flyer der „Schwulen Väter Köln“ in die Hände und Bernd besuchte die Selbsthilfegruppe. Endlich hatte er Menschen gefunden, die in einer ähnlichen Situation lebten und mit denen er offen über seine Probleme reden konnte. Das ist jetzt zehn Jahre her.

Heute gehört Bernd H. zum Beraterteam der Gruppe, die sich immer am ersten Freitag im Monat in der Alten Feuerwache trifft. „Es macht mir viel Spaß, und ich wollte etwas von dem zurückgeben, was ich hier bekommen habe“, begründet er sein ehrenamtliches Engagement. Rund 10 bis 15 schwule Väter nehmen derzeit das Angebot, über ihre persönliche Situation als Vater und schwuler Mann zu sprechen, regelmäßig wahr. Die Gruppe bietet auch Telefonberatung und Einzelgespräche an. Über 2.500 schwule Väter haben seit der Gründung im Jahr 1982 Kontakt zur Gruppe aufgenommen.

Nach einer Untersuchung des NRW-Familienministeriums haben mindestens 700.000 Lesben und Schwule in Deutschland Kinder, die zumeist aus vorangegangenen Beziehungen stammen. Bundesweit gibt es für sie in größeren Städten Selbsthilfegruppen und Beratungseinrichtungen. 28 Gruppen oder Ansprechpartner kümmern sich speziell um die Probleme von schwulen Vätern. Obwohl die Akzeptanz von Lesben und Schwulen zugenommen hat, ist die Gruppe der „Schwulen Väter Köln“ eher stetig gewachsen, erklärt Bernd H. Die Väter gingen offener mit ihrem neu entdeckten Schwulsein um und nähmen heute selbstverständlicher auch ein Beratungsangebot wahr. „Früher machten das viele mit sich alleine aus.“

Bernd H., der bereits geschieden war, als er zur Gruppe stieß, ist eher untypisch für einen schwulen Vater. Die sind meistens noch verheiratet, zwischen 30 und 50 Jahre alt und kommen zu rund 70 Prozent vom Land. Nach rund zehn Jahren Ehe haben sie plötzlich verstärkt den Verdacht, schwul zu sein. „Sie haben Angst, dass ihre Ehe zerbricht und sie die Kinder verlieren“, skizziert Bernd H. die Gefühlswelt schwuler Väter vor ihrem Coming-out. Im Gespräch wird versucht, Klarheit über die sexuelle Orientierung zu schaffen. Doch nicht nur die Sexualität ist Thema. „Wir versuchen auch, den Vätern ihre Ängste vor einer nur scheinbar zwangsläufigen Trennung von Frau und Kindern zu nehmen“, so Bernd H.

Patentrezepte für die Lösung aller Probleme versprechen auch die „Schwulen Väter Köln“ nicht. Daher gibt es ein Netzwerk zu anderen Beratungseinrichtungen und Therapeuten. Zwischen drei Monaten und zwei Jahren bleiben die Väter in der Selbsthilfegruppe. „Spätestens wenn ein neuer Partner gefunden wird, verlassen sie die Gruppe.“

Ehepartnerinnen von schwulen Vätern bemühen sich häufig um Verständnis für die neue Situation. „Aber auch sie machen einen schmerzlichen Prozess durch“, so Bernd H.. Ohnmacht, Wut und Enttäuschung sind gekoppelt mit dem Wissen darum, dass der Partner nichts für seine sexuelle Orientierung kann. Auch das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder wird meist einvernehmlich geregelt. „Schwierigkeiten gibt es erst, wenn der Mann einen neuen Partner findet“, so Bernd H. Dann kämen oft Eifersucht und auch alle Vorurteile gegenüber Schwulen bei den Frauen hoch.

Am Arbeitsplatz distanzieren sich häufig die männlichen Kollegen, wenn ein schwuler Vater offen mit seiner Homosexualität umgeht. Am heftigsten sind die Reaktionen der Familien der Ehefrauen. „Die machen massiv Stimmung gegen den schwulen Vater“, berichtet Bernd H. Der Streit um Häuser und Grundstücke übertüncht dabei häufig nur die wenig versteckten Vorurteile gegenüber Homosexualität.

Bernd H. selbst machte während seines Coming-out positive Erfahrungen. „Ich habe sehr viel Unterstützung und Akzeptanz erfahren“, berichtet er von den Reaktionen. Die Beziehung zu seiner damaligen Freundin endete, doch beide blieben Freunde. Heute lebt er mit seinem Freund und dessen Tochter in einer gemeinsamen Wohnung. Den 16-jährigen Sohn, der bei seiner Ex-Freundin lebt, sieht er alle zwei Wochen. Das Verhältnis zu ihm sei unkompliziert.

Treffpunkt: jeden ersten Freitag im Monat, 20 Uhr, Alte Feuerwache (Steigeturm, Raum 5), Melchiorstr. 3