Leitkultur packt alle in eine Kiste

Kölner Muslime können ihre Toten nicht in Tüchern bestatten, weil die Friedhofsverwaltung trotz des neuen NRW-Bestattungsgesetzes am Sargzwang festhält. Den will der Integrationsrat jetzt kippen

von Fahimeh Farsaie

Dank vieler Fernsehberichte ist man mit dem Bild muslimischer Bestattungen vertraut: Der Leichnam ist in ein Baumwolltuch gehüllt und wird auf einem Holzgestell zum Friedhof getragen. Ob dieses Bild künftig auch in Köln zu sehen sein soll, darüber diskutiert im kommenden Monat der Integrationsrat. Die Geister scheiden sich an der Frage, ob die Aufbewahrung und Bestattung von Leichen im Sarg obligatorisch bleiben soll, oder ob künftig auch das Leichentuch ausreicht, das Muslime für die Zeremonie verwenden.

„In Särgen anzuliefern“

Nach dem nordrhein-westfälischen Landesbestattungsgesetz vom September 2003 sind Särge nur noch für den Transport von Leichen auf öffentlichen Straßen und Wegen vorgesehen. Einer muslimischen Beerdigung im Tuch und ohne „Sargzwang“ steht das Landesgesetz also nicht im Weg. Die Kölner Stadtverwaltung allerdings weigert sich bislang, das Landesrecht umzusetzen. Sie sorgte sogar dafür, dass kurz vor der Änderung des Landesrechts eine neue Bestattungs- und Friedhofssatzung beschlossen wurde. Leichen sind demnach „in Särgen anzuliefern, aufzubewahren und zu bestatten“.

In der Beschlussvorlage, die der Satzungsänderung zugrunde liegt, heißt es, das NRW-Bestattungsgesetz lasse den „Zeitfaktor“ unberücksichtigt: Wird eine bereits mehrere Tage alte Leiche im Tuch bestattet, ist nach Einschätzung der Pathologin Ute Raute-Kreinsen eine Gesundheitsgefährdung der Trauergemeinde und des Friedhofspersonals nicht mehr auszuschließen. Deshalb herrscht „Sargpflicht“.

Um die nur in ein Tuch gehüllten Toten unter der Erde zu haben, bevor der Verwesungsprozess fortgeschritten ist, hat sich der muslimische Brauch den natürlichen Gegebenheiten angepasst: Verstirbt ein Muslim am Morgen, ist er beim Mittags- oder Nachmittagsgebet zum Friedhof zu bringen und zu bestatten.

In Deutschland allerdings verhindert schon die Gesetzeslage eine rasche Beerdigung. Der Leiter der Friedhöfe der Stadt Köln, Helmut Strack, erläutert, dass bis zur Ausstellung der Sterbeurkunde mindestens 48 Stunden vergehen müssten. Liege der Todeszeitpunkt ungünstig, etwa an einem Freitag Abend, könne auch dieser Zeitraum leicht überschritten werden. In der Regel würden Bestattungen „frühestens am dritten, vielleicht auch erst am vierten oder am fünften Tag“ vorgenommen, sagt Strack.

Friedhofsleitung mauert

Der Integrationsrat lässt sich davon nicht beeindrucken. Mit Unterstützung der Grünen und der CDU beauftragte der Ausländerbeirat als Vorläufer des Integrationsrats im Mai 2003 die Leitung der Kölner Friedhöfe, sie solle prüfen, ob durch eine Änderung des „Sargparagraphen“ der Friedhofssatzung Bestattungen im Tuch möglich sind. Der Ausländerbeirat selbst bildete eine Arbeitsgruppe, um einen Satzungsentwurf zu entwickeln und dem Stadtrat vorzulegen.

Die Arbeitsgruppe habe die Aufgabe gehabt, mit allen muslimischen Gemeinden Kontakt aufzunehmen und eventuell eine Anhörung durchzuführen, um die unterschiedlichen Ansichten der Organisationen auf einen Nenner zu bringen, so Arif Ünal, der Leiter des Gesundheitszentrums für Migranten und gesundheitspolitischer Sprecher der Kölner Ratsgrünen. „Einige Religionsgemeinschaften sagen, es könne auch mit Sarg bestattet werden, weil das mittlerweile zum Beispiel in der Türkei auch üblich sei. Einige konservativere sagen, nein, das ginge nicht, es müsse ohne Sarg und mit Tüchern bestattet werden.“

Ünal ist zuversichtlich, dass die Debatte zu einer Änderung der Friedhofssatzung führt. „Ich gehe davon aus, dass die Vorschläge auch im Rat die politische Mehrheit bekommen. Wenn die Parteienvertreter im Integrationsrat damit einverstanden sind, gehe ich davon aus, dass sie ihre jeweiligen Fraktionen überzeugen können.“ Der Chef der Kölner Friedhöfe ist dagegen überzeugt: „Ich prophezeie Ihnen, es wird keine Änderung eintreten“, so Helmut Strack.