Gottlos glücklich auf Deutschlandtour

GLAUBENSSTREIT Kampagne wirbt mit einer Busfahrt für Atheismus. Gläubige schicken Hassmails

BERLIN taz | Herrscht in Deutschland Religionsfreiheit? Für die Vertreter der atheistischen Buskampagne kann davon keine Rede sein. „Zur Religionsfreiheit gehört es auch, nicht zu glauben“, sagt Carsten Frerk. Doch dafür in Deutschland öffentlich einzutreten, ist schwer.

Vergeblich hatte Frerk mit einer Gruppe gottloser Gesinnungsgenossen versucht, auf Bussen städtischer Verkehrsbetriebe für eine atheistische und aufgeklärte Weltanschauung zu werben – mit Slogans wie „Ein erfülltes Leben braucht keinen Gott“. Doch aus allen angefragten siebzehn Städten hagelte es Absagen. „Gottverachtende Werbung“ sei ausgeschlossen, hieß es aus Dortmund. Man sei zur Neutralität verpflichtet, aus Hamburg. Essen sagte als einzige Stadt zu, machte aber im letzten Moment einen Rückzieher. Es habe „massiven Protest einzelner Fahrgäste“ gegeben, teilte die Essener Verkehrs AG mit.

Während deutsche Verkehrsbetriebe in der Regel keine Probleme haben, christliche Bibelzitate durch die Gegend zu kutschieren oder für den Kirchentag zu werben, tut man sich mit der Gottlosigkeit offenbar schwer.

Die Atheisten strengen nun eine Musterklage an. Und sie schicken selbst einen Bus auf Tour: Weil die an das englische Vorbild „Atheist Bus Campaign“ angelehnte Initiative in kurzer Zeit viel Spendengeld eintreiben konnte, hat man einen roten Doppeldecker gemietet. Der startet am Samstag in Berlin und fährt mehr als dreißig Städte an. „Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott“ und „Aufklärung heißt, Verantwortung zu übernehmen“, steht auf dem Gefährt.

In jeder Stadt werde man zu säkularen Stadtrundfahrten und Diskussionen einladen, erklärt Frerk. Am 18. Juni, zur Rückkehr des Atheisten-Busses nach Berlin, gibt es eine Abschiedsparty.

Es gebe ganz unterschiedliche Reaktionen, erzählt Kampagnensprecher Ralph Müller von der Hagen, der den Atheisten-Bus teilweise begleiten wird. Empörte Gläubige schickten Hassmails mit höllischen Vernichtungsfantasien. Doch aus den Kirchen kämen auch Stimmen, die der Busaktion etwas abgewinnen könnten, sagt Müller von der Hagen. Schließlich seien Diskussionen besser, als Gott und den Glauben überhaupt nicht zu thematisieren.

Ihnen gehe es nicht darum, die religiösen Gefühle anderer Menschen zu verletzten, betonen die Aktivisten. Man wolle Sympathien für den Atheismus wecken und Atheisten darin bestärken, sich in Debatten einzumischen. „Wir brechen ein Tabu, denn über die Funktionen und den Einfluss der Kirche wird in unserem Land zu wenig gesprochen“, sagt Müller von der Hagen.

Das Ausmaß der Ablehnung ihrer atheistischen Weltanschauung hat alle gottlosen Busfahrer überrascht. In kaum einem der zehn anderen Länder, in denen das Beispiel der „Atheist Bus Campaign“ mittlerweile Schule gemacht hat, gab es Probleme mit Atheistenwerbung auf Bussen öffentlicher Verkehrsbetriebe. Dabei sei in Deutschland über ein Drittel der Bevölkerung konfessionslos und nur rund 20 Prozent der offiziellen Kirchenmitglieder besuchten regelmäßig eine Gemeinde. Die Vertreter der Religionen nutzten ihre Medienpräsenz also zur Aufrechterhaltung eines ungerechtfertigen Wertemonopols, heißt es in einer Erklärung der Buskampagne. EVA VÖLPEL

www.buskampagne.de