Bauern im Clinch mit dem Rest der Welt

Im Konflikt um die EU-Zuckermarktordnung ist kein Kompromiss in Sicht. Die Landwirte beklagen fehlenden Rückhalt

DÜSSELDORF taz ■ Die Landwirte in NRW fühlen sich von der Politik verraten. Während die rot-grüne Landesregierung noch im November versichert hatte, sich für die Interessen der Zuckerrübenbauern einzusetzen, plädiert die Bundesregierung nun in einem aktuellen Positionspapier für umfassendere Einschnitte in das EU-weite System der Zuckersubventionen.

Hintergrund des Konflikts ist eine Auseinandersetzung der Europäischen Union mit der Welthandelsorganisation (WTO). Diese hatte der EU vorgeworfen, mit ihrem seit 1968 bestehenden System aus Subventionen und Importbarrieren die heimischen Zuckerbauern zu schützen und den globalen Freihandel zu behindern. Will sie Strafen durch die Handelsorganisation vermeiden, muss die EU nun die Zuckermarktordnung grundlegend reformieren. Die EU-Kommission hatte deshalb vorgeschlagen, den Garantiepreis pro Tonne Zucker von derzeit 632 Euro auf 421 Euro abzusenken. Zusätzlich sollte die von den europäischen Bauern produzierte Menge, die so genannte Zuckerquote, um 2,8 Millionen Tonnen verringert werden.

Die rund 8.000 nordrhein-westfälischen Rübenbauern, die sich seit Jahrzehnten in diesem System der Garantiepreise und Subventionen eingerichtet haben, sehen durch diese Einschnitte ihre Existenz bedroht. Mit landesweiten Protesten hatten sie im Herbst gegen die Reformen protestiert – mit gewissem Erfolg: In einem gemeinsamen Entschließungsantrag hatten die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen erklärt, dass die Vorschläge der EU zu „Strukturbrüchen im Zuckersektor“ führen könnten.

„Wir waren hoffnungsvoll, als der Landtag diesen Antrag verabschiedet hatte“, erklärt Stefan Sallen vom Rheinisch-Westfälischen Landwirtschaftsverband (RLV). Doch mit dem jetzt bekannt gewordenen Papier der Bundesregierung werde der Beschluss der Landesregierung hinfällig. „Die Bundesregierung stellt sich nicht nur hinter die Vorschläge der EU, sondern deutet sogar an, dass weitere Schritte erforderlich sind“, so Sallen.

Die Landwirte befürchten, dass nun auch die von der EU vorgesehene Ausgleichszahlung – die Einbußen sollten zu 60 Prozent über die so genannte Flächenprämie kompensiert werden – geringer ausfallen werde. Bundesagrarministerin Renate Künast (Grüne) habe schon wiederholt angedeutet, dass sie die Zahlungen für zu hoch halte, so Sallen. Und auch von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) fühlen sich die Bauern im Stich gelassen: „Als der noch Ministerpräsident war, hat er anders geredet. Da hat er unsere Interessen vertreten“, sagt Sallen. Allerdings, räumt der RLV-Sprecher ein, habe der Minister nun vielleicht auch andere Probleme als gerade den Zucker.

Der Staatssekretär im NRW-Agrarministerium, Thomas Griese, erklärt hingegen, dass die Reform „unausweichlich“ sei. Den Pessimismus der Bauern teilt er nicht: Es gebe in Zukunft in der Energiegewinnung aus Zuckerrüben (Bioethanol) neue Märkte für die Landwirte: „Wenn es uns gelingt, in der Energieproduktion neue Absatzmärkte für Zuckerrüben zu erschließen, werden wir die Existenz der Landwirte auf lange Sicht sichern können.“ ULLA JASPER