„Ein Baum is keen Kohlkopp“

Die Fressmesse Grüne Woche ist nebenbei auch die weltweit größte Landwirtschaftsausstellung. Auch Landwirte tauschen sich in den Hallen am Funkturm aus. B to B – Bauer to Bauer sozusagen

VON JAN ROSENKRANZ

Viel Schnee, viel Korn, sagt der Bauer. Und wenn er auf die Grüne Woche geht, muss er nicht bis zur Ernte darauf warten. Kurt Gröhlich hat sich an diesem kalten Tag schon ein paar davon eingefahren. Der Landwirt aus dem sächsischen Oschatz irrt durch Halle 26 zwischen Holzspaltern und Kippanhängern etwas verloren umher. „200 Hektar, Getreide und Raps, und Muttertiere 40“, dröhnt der Mann im Karohemd. Kühe meint er wohl. Gröhlich will sehen, was es Neues gibt, man muss sich informieren.

Natürlich ist die Grüne Woche vor allem als Verbrauchermesse bekannt, wo sich der gemeine Stadtmensch mal statt essen will und einer Kuh das Euter tätscheln darf. „Die Ausstellung hat aber auch für Landwirte große Bedeutung“, sagt Anni Neu. Nicht unbedingt, um Methoden des Maisanbaus zu debattieren, aber um mit dem Verbraucher in Kontakt zu treten, Produkte zu bewerben und ganz allgemein zur Imagepflege. Frau Neu muss es wissen, sie ist Sprecherin des Bauernverbandes.

Kurt Gröhlich ist „wegen der Technik und so“ hier. Aber es gebe ja leider nicht so viel zu sehen, sagt er. 70 Jahre ist er jetzt und ein wenig neben der Furche. Wegen dem Korn – und ein bisschen auch, weil sein Sohn im letzten Sommer den Betrieb übernommen hat. „Na ja“, sagt er, „es bleibt in der Familie.“

Auf des harten Winters Zucht, folgt meist gute Sommerfrucht, sagt der Bauer. Wenn es nur so einfach wäre. Horst Naue sagt, dass man sich heutzutage etwas mehr einfallen lassen muss, um das Geschäft von Januar bis Januar am Laufen zu halten. Naue ist vom Tiroler Hut bis zu den Stiefeln komplett in Grün gekleidet. Er lehnt am Tresen der Brandenburger Agrarverbände in Halle 21a und erzählt.

Über 70 ist auch er und noch immer Obstbauer im Dörfchen Marquard. Westlich vor den Toren Berlins liegt seine Obstplantage. „Hauptsächlich Äpfel, ein paar Hektar Süßkirschen auch“, sagt er. Und deshalb ist er ja hier, ist zum „Treffpunkt Apfel“ in Halle 20 gegangen, wo unter orangen Markisen diverse Sorten verkostet werden, und hat durchaus erleichtert zur Kenntnis genommen, dass der süße Pinova beim Verbraucher großen Anklang findet. Naue hat ein paar Hektar voll Pinova. „Ein Obstbaum is keen Kohlkopp“, sagt er. Den behalte man für 15 Jahre, da muss man strategisch denken.

Überhaupt geht Naue sein Geschäft strategisch an. Er hat sich diversifiziert und ein kleines Wildgehege angelegt. Vor Weihnachten wird geschossen, die Frau verkauft das Fleisch in der „Vermarktungshütte“. Und weil diese Laube schöner werden soll, um noch mehr Kunden anzulocken, muss Naue jetzt weiter in die Gartenhalle. Er will sich über Dachbegrünung informieren.

Auch nach einer schlechten Ernte muss man wieder säen, sagt der Bauer. „Es reicht nicht mehr aus, Getreide anzubauen“, sagt Wolfgang Rogall, der Messesprecher. Landwirte müssen sich verstärkt um neue Einnahmequellen bemühen: Reiterhof, Anglerteich, alternative Energiegewinnung. Das Marketing nicht zu vergessen.

Die Brandenburger Landfrauen haben sich darum etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sie haben sich kürzlich zu Botschafterinnen für regionale Agrarprodukte ausbilden lassen. Jetzt stehen sie in rot-weiß gestreiften Schürzen hinter einer Theke und warten auf Kundschaft. Es gibt Filterkaffee und Schmalzstullen. Aber darum geht es gar nicht, sagt Veronika Meier. Es geht um Marketing. Früher hat Frau Meier in der Landwirtschaft gearbeitet, aber im Elbe-Elster-Kreis, wo sie herkommt, gebe es kaum noch Arbeit. Die Botschafterinnen-Idee ist zumindest eine Chance. Die Idee klingt gut: Die Frauen werben Landwirte und bringen deren Produkte auf regionalen Märkten den Verbrauchern nahe.

Die Landwirte, die sie bisher angesprochen haben, waren begeistert – aber leider immer nur so lange, bis sie erfuhren, dass sie Geld dafür bezahlen sollen. Und darum warten die Botschafterinnen jetzt mehr auf den Ministerpräsidenten Platzeck. Er soll ihnen helfen. Er wollte längst da sein. Auf der Bühne von Antenne Brandenburg bläst die Kapelle irgendeiner Feuerwehr. Besucher kaufen Spreewaldgurken und Eberswalder Würstchen als gebe es kein Morgen.

Je weiter man sieht, desto näher der Regen, sagt der Bauer. Roland Teufel hat Weitblick, er sieht jetzt schon die Ernte vor sich. Das Korn, das er von 2.000 Hektar holt. Das Korn, das mehr Geld bringt, wenn es sauber ist, frei von Halmen und Hülsen. Darum schleicht er, den Aktenkoffer in der Hand, um diesen großen Hänger, auf dessen Rücken ein mintgrünes Ungetüm aus Stahlblech thront: eine fahrbare Universal-Aufbereitungsanlage.

Teufel könnte so ein Monster gut brauchen. Er hat einen Großbetrieb bei Zwickau. „Ich würde ihnen die U 60 empfehlen, die hat ein doppelt so großes Untersieb“, sagt Dieter Czwalinna. Er ist Konstrukteur, Erbauer und Händler solcher Spezialmaschinen. Lohnt sich das Geschäft? „Wenn wir keine Geschäfte machen würden, wären wir nicht hier“, sagt er und lächelt wissend.

„Und?“, fragt Teufel. „Na, so 25 müssten sie schon rechnen“, sagt Czwalinna. 25.000 Euro meint er. Teufel sagt, er muss nachdenken. Jetzt rauscht er erst einmal ab in Richtung Halle 26a. Wellness. Das muss ein Irrtum sein.

Was stinkt, das düngt, sagt der Bauer. Insofern müsste Halle 23, mit seinen über über 20 Pferderassen, Schweinen und Rindern, ein äußerst fruchtbarer Acker sein. „Die Geschäfte stehen bei uns im Hintergrund“, sagt Bernd Adler, Chef der RBB Rinderproduktion Berlin-Brandenburg. Zucht, Besamung, Vermarktung, das ist sein Metier. Er macht Werbung hier für Laudan, den besten Bullen im Stall.

Laudan trägt Nasenring und blickt finster von einem großen Poster auf die Besucher herab. Auf der Rangliste der besten deutschen Zuchtbullen steht er auf Platz drei. Weil seine Töchter mehr Milch geben als andere Kühe, ist sein Samen sehr begehrt. So sehr, dass Laudan mit der Produktion nicht nachkommt. So sehr, dass oft die Züchter am RBB-Stand fragen, ob Laudans Schatz wieder erhältlich ist. 127.000 Proben hat Adler im letzten Jahr von Laudans Samen weltweit verschickt. Der Zuchtbulle ist eine Cashcow.

Aber die Grüne Woche ist nicht die Eurotier in Hannover. Information geht darum vor Geschäft. Adler will bei den Verbrauchern um Vertrauen werben. Vertrauen dafür, „dass nicht alles schädlich ist, was nicht Öko heißt“, sagt er. Darum hat er Jessy, Babette und Tilly mitgebracht und neben seinem Stand an einer Stange festgebunden.

Wenn Willy Schwärzel auf die drei schwarzbunten Hollsteinkühe blickt, dann könnte er ins Schwärmen kommen. „38 Liter Tagesproduktion!“, ruft er. „Früher wären wir über die Hälfte froh gewesen.“ Schwärzel ist aus Westerbeck bei Wolfsburg angereist. Er ist 64 Jahre alt, davon hat er 50 in der Landwirtschaft verbracht. Es war genug, jetzt ist er Rentner. Aber er will noch immer wissen, was es Neues gibt – und Wurst kaufen natürlich.