Die Warlords und die Warzenschweine

Seit vierzehn Jahren ist Somalia ein Land ohne Regierung. Nun hat Somalia auch noch eine Regierung ohne Land. Zusammenfinden werden die beiden so schnell nicht. Denn Somalias Hauptstadt wird für die Regierung Feindesland

NAIROBI taz ■ Es sind drei große Hotels im Zentrum von Nairobi, die Hauptstadt Kenias. Aber in den Hallen wird somalisch gesprochen, die Männer tragen somalische Wickelröcke und somalische Journalisten stehen am Eingang und warten auf Gesprächspartner. „Meine Landsleute haben Teile der Stadt übernommen“, erklärt einer der Journalisten, Mohamed Hadji Ingerez, und weiß: „Das irritiert manche Kenianer.“

Er steht vor dem „Hotel 680“, Sitz von Somalias Parlament. Somalias Regierung will es vornehmer und zieht das „Intercontinental“ und das „Regency“ vor. Nach Somalia, das diese Leute eigentlich regieren sollen, wollen sie frühestens in ein paar Monaten. „Es ist ein logistischer Albtraum“, ahnt Mohamed Hadji Ingerez.

Das Parlament entstand im August 2004, als Ergebnis einer Friedenskonferenz. Im Oktober bestimmten die Abgeordneten Abdullahi Yusuf zum Präsidenten Somalias, als solcher wurde er international anerkannt und bildete eine Regierung. Die gibt es in Somalia nicht, seit Diktator Siad Barre 1991 von Rebellen gestürzt wurde.

Es kann auch noch eine Weile dauern. Die Friedenskonferenz, aus der die Regierung hervorging, begann schon im Oktober 2002. Es war der vierzehnte Versuch der somalischen Warlords seit 1991, Frieden zu schließen. Politiker, Entwicklungshelfer, Umweltschützer, Kriegsherren und Geschäftsleute überfüllten sämtliche Hotelzimmer in der Kleinstadt Eldoret und bezahlten ihre Rechnungen nicht.

Um Ordnung ins Geschehen zu bringen, ernannte Kenias Regierung ihren ehemaligen Botschafter Bethuel Kiplagat als Vermittler. Er siedelte die Konferenz über an den Stadtrand Nairobis und verfügte, dass es nur noch 362 Delegierte gibt und die sich alle registrieren lassen.

Der neue Konferenzort lag wunderschön, gegenüber vom Wildpark von Nairobi. Die Somalier waren nicht begeistert. „Hier laufen haufenweise Schweine herum. Wir Muslime finden das unreine Tiere. Wollen die Kenianer uns ärgern?“, schrie einmal eine verschleierte Somalierin und zeigte auf einige Warzenschweine, die ruhig Gras fraßen. Denn die Warzenschweine graben Löcher unter den Zaun des Wildparks und gehen in den Gärten auf der anderen Straßenseite spazieren. Daran haben sich die meisten Anwohner längst gewohnt. Nicht so die Somalis: Sie bewarfen sie mit Steinen.

Die Konferenz selbst war nicht viel friedlicher. Er wurde viel geschrien, Delegierte gingen mit den Fäusten aufeinander los. Wütend liefen manche weg, um erst Wochen später zurückzukommen. Nach zwei Jahren Verhandlungen weigerten sich die Eigentümer des Konferenzortes, die Abgeordneten noch länger mit Essen zu versorgen.

Jetzt ist alles anders: Somalia hat ein Parlament, einen Präsidenten, eine Regierung – im Exil. „Leider wurde wirklich nur gewählt“, meint Matt Bryden, Somalia-Spezialist der internationalen Rechercheorganisation Crisis Group. „Der Friedensvertrag ist wenig konkret. Das Ergebnis von zwei Jahren Verhandlungen ist wie eine Torte mit viel Zuckerguss, aber der Kuchen fehlt größtenteils.“ Denn die Regierung entspricht den Verhandlungen: Jeder Warlord brauchte einen Posten, und nun hat Premierminister Ali Mohamed Gedi 89 Minister und Vizeminister.

In die somalische Hauptstadt Mogadischu können sie nicht. Dort stehen 60.000 Milizionäre verschiedener Fraktionen und machen die Stadt unregierbar. Die Wahl des Kriegsherren Mohamed Qanyare Afrah zum Innenminister sollte eigentlich die Rückkehr beschleunigen. Schließlich führt er in Mogadischu 2.000 Milizionäre mit schweren Waffen, während viele andere Kämpfer in der Stadt nur Gewehre haben. Qanyare ist reich und kontrolliert eine Landebahn, die Entwicklungshelfer und Drogenhändler benutzen.

Aber das reicht Präsident Abdullahi Yusuf offensichtlich nicht. Er hat die Afrikanische Union (AU) um 20.000 Truppen gebeten. Das wird sein Traum bleiben, weil die AU es nicht einmal schafft, 3.500 Soldaten nach Darfur im Sudan zu schicken. Doch Yusufs Ansinnen bringt schon Ärger in Mogadischu. Islamisten, deren Basis die islamischen Scharia-Gerichte sind, haben gedroht, jeden ausländischen Soldaten bei Ankunft zu töten. Inzwischen ermorden sie in Mogadischu Politiker, die für eine AU-Truppe sind. Jüngstes Opfer war vor wenigen Tagen der designierte Polizeichef der Hauptstadt, General Yusuf Ahmed Sarinle, der den Umzug der Regierung aus Nairobi nach Mogadischu vorbereiten sollte.

Ein Umzug nach Somalia wäre für die Regierung sowieso nur der erste Schritt auf einem langen mühsamem Weg. Es gibt in Mogadischu keine Ministerien, keine Computer, kein Geld für staatliche Institutionen. Die Regierung müsste die Warlords, die Minister geworden sind, dazu bringen, einen Teil ihrer Einnahmen von Flugpisten und Häfen in die Regierungskasse zu stecken statt in die eigene Tasche. Und dann müsste sie die lokalen Herrscher in den verschiedenen Teilen Somalias dazu bewegen, die Zentralregierung anzuerkennen. ILONA EVELEENS