„Die wenigsten sind großzügig“

KIRCHENEINTRITT Um die Kirche St.Marien zu erhalten, nimmt die Lübecker Gemeinde nun Eintritt von Besuchergruppen. Das stößt vielfach auf Kritik. Ein Gespräch mit der Pastorin Ina von Kortzfleisch

■ Pastorin und Kirchenvorstandsvorsitzende an St. Marien. Bis 2008 leitete sie die Hamburger Familienbildungsstätte „Offene Kirche“. Foto: privat

taz: Wem fehlt es an Großzügigkeit, Frau von Kortzfleisch: der Gemeinde St. Marien oder ihren Besuchern?

Ina von Kortzfleisch: Wenn es um Geld geht, sind die wenigsten großzügig. Einerseits ist das zu verstehen, andererseits fordere ich an dieser Stelle Großzügigkeit der Menschen. Es handelt sich um zwei Euro Eintritt für unsere Kirche – wir sind da maßvoll im bundesdeutschen Vergleich.

„Wozu zahlen wir Kirchensteuer?“, argumentieren jetzt die Besucher von St.Marien.

Die Kirchensteuern gehen seit Jahren zurück. Sie sind ein Solidarbeitrag für das Gesamtwohl, zu dem die volkskirchliche Arbeit beiträgt. Viele vergleichen die Kirche mit einem Verein und argumentieren damit, dass sie nichts von ihr haben: Ich gehe nicht in die Gottesdienste, ich merke sie nicht in meinem alltäglichen Leben, also kann ich auch austreten. Das ist aber zu kurz gedacht.

Was ist daran falsch?

Mitglied der Kirche zu sein, bedeutet, dass ich durch meinen finanziellen Beitrag kirchlichen Mitarbeitern die Möglichkeit gebe, ihre Kraft für das allgemeine Wohl einzusetzen. Und dann bedeutet es: Ich fühle mich zugehörig, weil sie die Gemeinschaft für meinen Glauben vor Ort ist.

Muss die Kirche angesichts knapperer Finanzen erst das eigene Haus samt seiner Heizkosten bestellen, bevor sie sich dem Gemeinwohl widmet?

Wir reagieren mit diesen vielfältigen Angeboten auf die Pluralität der Gesellschaft. Das ist unser Anspruch, unsere Verantwortung – das ist aber auch die Schwierigkeit unseres evangelischen Auftrags.

Verkündigung braucht einen geheizten Ort. Haben die Besucher eine ausreichend klare Vorstellung von den Gemeindefinanzen?

Unsere knapp 2.000 Kirchengemeindemitglieder können mit ihrer Kirchensteuer allein einen solchen Riesendom nicht betreiben. Deswegen auch dieses Pilotprojekt, die Touristen darüber aufzuklären, dass wir monatlich mehrere tausend Euro Betriebskosten zahlen.

Gespendet haben sie dennoch nicht ausreichend.

2006 haben wir von einer Million Besuchern 133.000 Euro bekommen. Wie viele Cent sind das pro Person? Darum haben wir die verbindlichen zwei Euro pro Gruppenmitglied eingeführt.

Die Kirchenleitung war nicht froh über Ihre Finanzierungsidee und empfahl stattdessen „kreative Lösungen“.

Ich vermute, dass sich Bischof Ulrich das Problem, eine solche Kirche zu erhalten, noch nicht in Gänze vor Augen geführt hat. Ich freue mich auf ein Gespräch mit ihm. INTERVIEW: FRIEDERIKE GRÄFF