Der Konsul schreibt, Brandenburg spurt

Türkische Diplomaten sorgen sich um deutsche Lehrpläne – und lassen den armenischen Genozid verschwinden

BERLIN taz ■ Ein Fall von Einflussnahme der Türkei auf Lehrpläne in Brandenburg hat eine Diskussion über die Grenzen der Diplomatie ausgelöst. „Es ist nicht hinnehmbar, dass der Eindruck entsteht, dass der Lehrplan Geschichte für Brandenburgs Schüler in Ankara entsteht“, sagte der Generalsekretär der in Brandenburg mitregierenden CDU, Sven Petke. Auslöser waren Berichte, wonach das Bildungsministerium des Bundeslandes auf Druck der Türkei hin einen Passus über den armenischen Genozid aus dem Lehrplan gestrichen hat. Die Türkei leugnet bis heute den Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915.

Der Sprecher des Bildungsministeriums, Thomas Hainz, bestätigte gestern der taz, „es hat diplomatische Gespräche gegeben“. Zunächst hatte sich nach Informationen des Tagesspiegels der türkische Generalkonsul Aydin Durusoy in einem Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) über die Erwähnung des Völkermordes an den Armeniern beschwert und auf fremdenfeindliche Übergriffe auf Türken in Brandenburg hingewiesen. Platzeck habe daraufhin die Streichung zugesichert.

Der Zentralrat der Armenier in Deutschland sieht in dem Vorgang einen Beleg für systematische Versuche von türkischen Repräsentanten in Brandenburg, die Erinnerung an den Genozid aus dem öffentlichen Bewusstsein zu verdrängen. Der Vorsitzende des Zentralrats, Schawarsch Owassapian, sagte der taz: „Das ist ein weiterer Beitrag in einer Reihe von Beeinflussungen durch die türkische diplomatische Vertretung. Die Landesregierung hat nachgegeben, damit der Partner Türkei nicht beleidigt ist.“ Das Verhalten der Regierung sei eine „Schande“, so Owassapian.

Über türkische Einflussnahme bei der Darstellung des armenischen Völkermordes klagt auch Mihran Dabag, der Leiter des Bochumer Instituts für Diaspora- und Genozidforschung. Im Auftrag des Landesinstituts für Schule und Medien Brandenburgs (Lisum) sollten die Bochumer eine Lehrerhandreichung zu dem Thema erstellen. Der Entwurf war bereits fertig, da ließ das Lisum die Arbeit aussetzen. „Das geschah klar auf Druck seitens der türkischen Diplomatie hin“, sagte Mihran Dabag der taz.

Ministeriumssprecher Hainz rechtfertigt die Streichung im Geschichtslehrplan mit dem Hinweis, dort sei das Konzept Völkermord auf das armenische Beispiel reduziert worden. Nun wolle man eine Lehrerhandreichung herausgeben, in der auf mehr Beispiele von Völkermord eingegangen werden solle, darunter auch das armenische. Inzwischen hat die Debatte die Bundespolitik erreicht. „Ich halte die Streichung für falsch“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Erwin Marschewski der taz.

JOHANNES HONSELL