Gastkommentar zur Verleihung des Bremer Literaturpreises
: Geht es mit dem Literaturpreis bergab? Wir wollen die Autorinnen hören!

Gestern überreichten die JurorInnen Sibylle Kramer und Lothar Müller zusammen mit Rolf Michaelis, Vorsitzender der Rudolf-Alexander-Schroeder-Stiftung, den Bremer Literaturpreis 2005: Birgit Kronauer für ihren Roman „Verlangen nach Musik und Gebirge“, Antje Rávic Strubel den Förderpreis für „Tupolew 134“. Ein Gastkommentar

Das bekannte Lebenswerk einer Meisterin der Literatur zu krönen, kann jeder. Anders der Bremer Literaturpreis: Er prämiert ein literarisches Werk, das im Jahre der Preiskrönung erschienen ist. Die Jury muss Aktuelles lesen! Bei der Preisvergabe geht ein literarischer Ruck durch die Stadt. Die Träger des Preises und Förderpreises sind da. Ein hoch motiviertes Publikum will sie sehen und hören, bei der Lesung am Vorabend, bei der Preisübergabe, in der „Literarischen Woche“. Deutschlehrer, Primaner, Stadtbibliothek und Buchhandlungen sind in Erregung.

Aber die Fehlleistung der immer noch amtierenden Jury ist unvergessen: Alexander Kluge hat den Preis ein zweites Mal erhalten, ohne Neues geschrieben zu haben. Ist die Jury überaltert?

Ich bekenne, diesmal war ich auf der Vorabendlesung der Zwischenrufer: „Wir möchten die Autorin hören!“ Denn im roten Sessel auf der Bühne thronte ein älterer Herr mit Aura und Gestus des ‚Doktorvaters‘ – ein Wort, das die Hochschulreform überdauert hat – und wollte Antje Rávic Strubel, geboren 1974, nicht zu Wort kommen lassen. Später hat er erklärt, man müsse die Antworten schließlich vorbereiten.

Aber er blieb der ‚Doktorvater‘ auch von Brigitte Kronauer, geboren 1940. Nachdem er umfänglich in ihr Buch eingeführt hatte, stand sie auf, führte selbst in ihr Buch ein und seine Einführung ad absurdum. Die Vorabendlesung sollte die Veranstaltung der Preisträgerinnen bleiben!

Nun aber die Preisverleihung gestern: Seit Jahrzehnten findet sie am 26. Januar, um zwölf Uhr, statt. Muss eine halbe Stunde Verspätung sein, nur weil im Parlament gegenüber abgestimmt wird? Kann eine Senatorenvertretung nicht pünktlich sein und kurz begrüßen? Und dann wieder endlose Vorlesungen von Literaturjournalisten, die Professor spielen.

Die Preisträgerinnen hatten wieder zu warten, bis man sie zu Worte kommen ließ. Dabei waren allein ihre Worte es, um deretwillen die Obere Rathaushalle voller ZuhörerInnen war.

Als Radio Bremen über Jahrzehnte die Preisverleihung live übertrug, dauerte das Ganze eine Stunde: Ein des freien Wortes und der kurzen Begrüßung mächtiger Senator, schlagkräftig einführende Laudatores und dann ausführlich die Autoren. Schade, dass das vorbei ist. Geht es bergab mit dem Bremer Literaturpreis?