Der getötete Abtreibungsarzt

Der US-amerikanische Abtreibungsarzt George Tiller ist beim Sonntagsgottesdienst in der evangelischen Kirche in Wichita im Bundesstaat Kansas erschossen worden. Drei Stunden nach dem Mord wurde der 51-jährige Scott Philip Roeder in einem gut 250 Kilometer entfernten Vorort von Kansas City als Tatverdächtiger festgenommen. Er gehört den christlich-patriotischen „Freemen“ an und war 1996 wegen Sprengstoffbesitzes verurteilt, in der Berufung jedoch wegen eines Verfahrensfehlers freigesprochen worden.

Tiller war einer von drei Ärzten in den USA, die Abtreibungen nach der 21. Schwangerschaftswoche vornahmen. Deshalb war er seit mehr als 35 Jahren Angriffsziel von Abtreibungsgegnern. 1985 wurde auf seine Klinik ein Bombenanschlag verübt, 1991 fand vor der Klinik der „Sommer der Barmherzigkeit“ mit Massendemonstrationen statt. 1993 schoss ihm ein Attentäter in beide Arme.

Tiller wurde am 8. August 1941 in Wichita geboren. Er studierte an der Universität von Kansas und arbeitete danach als Marinearzt. 1970 beschloss er, sich auf Dermatologie zu spezialisieren, doch im selben Jahr kamen seine Eltern, seine Schwester und sein Schwager bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Tiller übernahm die Praxis seines Vaters, der ebenfalls Abtreibungen vorgenommen hatte.

US-Präsident Barack Obama sagte am Sonntagabend: „So tief greifend unsere Meinungsverschiedenheiten bei solch schwierigen Themen wie Abtreibung auch sein mögen, sie können nicht durch feige Gewalttaten gelöst werden.“ Die Antiabtreibungsorganisation Operation Rescue verurteilte den Mord. „Wir haben seit Jahren mit friedlichen, legalen Methoden daran gearbeitet, dass er seiner gerechten Strafe zugeführt wird“, heißt es in der Presseerklärung.

RALF SOTSCHECK