Der arme Konsument

Weltwirtschaftsforum in Davos sucht Möglichkeiten, Profit und Entwicklung gleichzeitig zu erreichen

DAVOS taz ■ Viel ist beim Treffen der internationalen Wirtschafts- und Politik-Elite im Schweizer Davos von „Verantwortung“ die Rede. Titel des Forums: „Verantwortung übernehmen für harte Entscheidungen“.

Doch nach der hier vorherrschenden Logik besteht die Verantwortung der globalen Führungskräfte im Wesentlichen darin, möglichst vielen Menschen die Vorzüge des freien Marktes zugute kommen zu lassen. Dadurch würden sich Probleme wie Armut oder Aids am effizientesten lösen lassen.

So mag es Außenstehende seltsam anmuten, dass es einen Workshop gibt mit dem Titel „Wie man das untere Ende der Pyramide anzapft“. In diesem Seminar wird auf Strategien hingewiesen, mit denen der geschäftstüchtige Weltverbesserer gleichzeitig Armut lindert und sein Geschäft expandieren kann.

Während das mittlerweile zehn Jahre alte Konzept der „Sozialen Unternehmensverantwortung“ (Corporate Social Responsibility, CSR) davon ausgeht, dass Unternehmen eine kollektive Verantwortung für die negativen Auswirkungen ihres Profitstrebens haben, steht in der Denkweise des Weltwirtschaftsforums das Individuum im Vordergrund. Auf der einen Seite ist das die individuelle Führungskraft, die dazu bekehrt werden soll, ihre Macht zur Lösung globaler Probleme zu nutzen. Im Interview mit der Konferenzzeitschrift des Weltwirtschaftsgipfels kommentiert Ged Davies, einer der entscheidenden Programmplaner des Weltwirtschaftsforums: „Ich möchte, dass Davos den Teilnehmern die Entscheidung erleichtert, welche Aktionen sie unternehmen möchten, um die Situation der Welt zu verbessern.“ Der Versuch, Geschäftsleute davon zu überzeugen, freiwillig ihr Verhalten zu bessern, steckt zwar auch im CSR-Ansatz. Grundverschieden ist jedoch der unerschütterliche Glaube an den freien Markt als Vehikel für globale Entwicklung, der in Davos zum Vorschein kommt.

Denn auf der anderen Seite und im Fokus der verantwortlichen Führungskraft steht der verarmte, aber potenzielle Konsument. Diesem muss die Möglichkeit gegeben werden, für die eigene Lebensverbesserung selbst Verantwortung zu übernehmen. In erster Linie durch die Ausschöpfung und Erhöhung seiner Kaufkraft. Im Falle der Armen bedeutet das: Konsum von kleinen und daher erschwinglichen, abgepackten Portionen Shampoo, Seife oder Tabak, Zugang zu Kleinkrediten, Produktion für den Export.

Das Weltwirtschaftsforum steht in einem unlösbaren Widerspruch: einerseits möchte es sich gern als Zivilgesellschaft verstehen, doch andererseits will es den Ansprüchen seiner Mitglieder genügen – der globalen Unternehmen. Was dabei herauskommt, ist ein fauler Kompromiss. MARIE HOFFMANN