Alfred Wuttke will endlich seine Ruhe

Als der heute 64-Jährige vor über dreißig Jahren in Rath-Heumar sein Häuschen baute, ging es auf dem Airport in seiner Nachbarschaft noch beschaulich zu. Inzwischen bescheren Billigflieger und Frachtflugzeuge dem Köln/Bonner Flughafen steigende Umsätze. Und den Anwohnern immer mehr Fluglärm

Von Markus Scheele

Alfred Wuttke in seinem Wohnzimmer. Er lächelt müde. Mehr Passagiere. Mehr Flugziele. Höhere Frequenz. Für ihn bedeutet das: Mehr Flieger über seinem Haus. Denn er wohnt in Rath-Heumar, in der Nähe des Köln/Bonner-Flughafens. „Es gibt Zeiten, da kommen die Flugzeuge alle fünf Minuten rein“, sagt der 64-Jährige.

Als die Wuttkes ihr Haus 1974 hier im Osten Kölns bauten, ahnten sie nicht, was sie erwartete. Ende der 60er Jahre starteten in einer Sommerwoche ganze vierzehn Ferienflieger in den Urlaub. Im vergangenen Oktober starteten und landeten durchschnittlich 455 Maschinen pro Tag.

Gerade ist wieder einer zu hören. Wie ein Gewitter, das nicht aufhören will zu grummeln. „Der ist aber zwei oder drei Kilometer weg. Vermutlich startet er“, sagt Wuttke gelassen. Er ist Schlimmeres gewöhnt. Wenn er und seine Frau Fernsehen gucken und mal wieder ein Brummer niedergeht, verstehen sie kein Wort mehr. Dabei bleiben die Fenster fast immer geschlossen, selbst an heißen Tagen.

Doch es sind nicht nur die Urlaubsflieger, die Krach machen. Auf die goldene Idee, mit Frachtverkehr Geld zu verdienen, kam die Flughafengesellschaft Ende der 80er Jahre. Von da an stiegen kontinuierlich die Zahlen. Nach dem großen Bruder in Frankfurt belegt Köln/Bonn heute in diesem Segment den zweiten Platz in Deutschland.

Alle zwei Minuten

Der Airport ist für die Frachtbranche ein beliebter Umschlagplatz. Aus ganz Europa bringt die Flotte ihre Ladung in die Sortierhallen, Kühl- und Hochregallager. Dort packen Arbeiter die Pakete auf den nächsten Flieger, der noch in derselben Nacht zum Adressaten startet. Selbst Alfred Wuttke findet lobende Worte: „Logistisch gesehen ist das großartig, was die da machen.“

Überhaupt nicht großartig ist das aber für die Nachtruhe von Wuttke und seiner Frau: „Ab elf Uhr geht es los, dann kommen 60 bis 70 Maschinen rein. Manchmal auch mehr. Das geht bis halb zwei Uhr.“ Alle zwei Minuten brause ein Frachter von UPS, DHL oder Lufthansa Cargo über sein Haus. „Das sind schon Monster, die da kommen.“

Besonderes Pech haben die Wuttkes, wenn sich in der Sortierphase der Wind dreht. Dann bekommt Rath-Heumar auch die Starts in voller Lautstärke mit. „Es beginnt mit einem leisen Surren, das langsam zu einem Summen wird. Und dann kommt der richtige Krach. Gewöhnen kann man sich daran nicht.“

Ein Nachtflugverbot, wie es etwa der Düsseldorfer Flughafen kennt, gibt es für den Köln/Bonner nicht. Das Land will es so. Nordrhein-Westfalen brauche mindestens einen Flughafen, der rund um die Uhr offen sei, heißt es aus dem Verkehrsministerium. Und die Zahl der von Fluglärm betroffenen Menschen in Köln und Bonn sei geringer als in Düsseldorf. Denn der Airport in der Landeshauptstadt liegt näher am Zentrum. Und natürlich hängen am Flughafen viele Arbeitsplätze. Die Industrie- und Handelskammer Köln geht davon aus, dass es gut 14.000 sind.

Anwohner Wuttke beeindruckt das nicht. Er will endlich Ruhe haben. Deswegen kämpft er zusammen mit etwa 6.000 weiteren Mitgliedern der regionalen Lärmschutzgemeinschaft nun schon seit Jahren gegen den Fluglärm – vor allem gegen den in der Nacht. Ohne Erfolg.

Flughafen-Sprecher Walter Römer schüttelt den Kopf, wenn er nach nächtlichen Ruhezeiten gefragt wird: „Das ist für uns nicht praktikabel. Damit würde die Lärmschutzgemeinschaft die gesamte Nutzung in der Nacht kaputt machen!“ Stattdessen präsentiert der Sprecher das „umfangreichste Programm zum passiven Schallschutz in Deutschland“: Für 85 Millionen Euro dämmt der Flughafen die Schlafzimmerfenster von etwa 17.500 Häusern. Dazu gibt es noch gedämmte Rollladenkästen und eine Lüftung. Die Fenster müssen ja zu bleiben. Liegt das Schlafzimmer unter dem Dach, wird eine Pauschale gezahlt.

„Preis des Wohlstands“

Wuttke hat keinen Antrag gestellt. Das Flughafengeld für das Dach reicht nicht aus, glaubt Wuttke, und draufzahlen wolle er nicht. Die Fenster, Rollladenkästen und Lüftung bekommt er aber nur, wenn er auch das Dach dämmen lässt. „Die Geschichte würde mich mehr kosten, als die Fenster letztlich wert sind“, schätzt er. Wegziehen kommt für ihn auch nicht in Frage. „Das Haus könnte ich wohl nur mit Verlust verkaufen“, befürchtet er.

Auf der Homepage des Flughafens ist zum Thema Lärm zu lesen: „Es besteht kein Zweifel: Fluglärm ist störend und lästig. Doch er ist ein Teil des Preises, den eine hoch entwickelte Industriegesellschaft für Wohlstand, hohen Lebensstandard und Wachstum zahlen muss.“