Eingefroren und bei Bedarf wieder aufgetaut

Die Auflösung der Bezirksregierungen in Niedersachsen betrifft auch die freie Kultur: Seit dieser Woche vergeben nun auch die Landschaftsverbände Projektfördermittel

Ab jetzt ist für freie Künstlerlnnen entscheidend, wo sie wohnen

Die Zeiten bleiben turbulent für Niedersachsens freie KünstlerInnen. Erst vergangenes Jahr ging es um die Kürzungspläne von Niedersachsens Kulturminister Lutz Stratmann (CDU), bei denen immerhin erreicht werden konnte, dass Niedersachsen statt 8 Millionen lediglich 4,3 Millionen Euro aus dem Etat der Kulturförderung für die freie Szene strich. Anfang dieser Woche nun übertrug Stratmann die regionale Kulturförderung den 13 Landschaften in Niedersachsen – nötig geworden war dies aufgrund der Auflösung der Bezirksregierungen.

Nun also die Landschaften, die sich als traditionelle Gebietskörperschaften erstmal gegen den Ruf des Traditionalismus wehren müssen. Ein Vorwurf, den sich der Sprecher der Kulturverbände, Landrat Hermann Bröring aus Lingen an der Ems, gar nicht gerechtfertigt sieht: Folklore, so Bröring, werde in den ländlichen Regionen ebenso unterstützt wie etwa experimentelles Theater und andere Kunstprojekte.

Eine Million Euro Projektfördermittel für freie Kultur haben die Landschaften ab sofort zur Verfügung, zu vergeben in den Bereichen Bildende Kunst, Literatur, Theater, Musik, Kunstvereine und nichtstaatliche Museen. Für die KünstlerInnen bedeutet das: Ab jetzt ist noch entscheidender, in welcher Kunstsparte man seine Arbeit platziert und wo im Bundesland man als KünstlerIn wohnt – schließlich werden die nunmehr von dreizehn Stellen vergeben, mit regional sehr unterschiedlichen kulturellen Strukturen und verschiedenen Organisationsweisen, vom ehrenamtlich geleiteten Verein bis hin zum nach Kompetenzen aufgefächerten Verband mit bezahlter Geschäftsführung. Je nach Fläche und Einwohnerzahl der Landschaften stehen den Verbänden zwischen 60.000 und 200.000 Euro zur Verfügung. „Große Sprünge können wir damit auch nicht machen“, sagt Ignaz Jung Lundberg, Geschäftsführer des Landschaftsverbandes Hildesheim, dem 2005 75.000 Euro zur Verfügung stehen. Denn der Schwellenwert, oberhalb dessen die Anträge zur Entscheidung den jeweiligen Kommissionen im Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) vorgelegt werden müssen, beläuft sich auf 10.000 Euro; die Landschaften können selbst also nur über vergleichsweise kleine Beträge entscheiden.

Hinzu kommt, dass für jede Landschaft nur ein Sockelbetrag von 43.000 Euro gleich ist. Die Verteilung der übrigen Projektfördermittel wird über einen Schlüssel berechnet, bei dem jeweils zu 50 Prozent die Fläche und die Einwohnerzahl entscheidend sind. „Für den Landkreis Hildesheim oder die Region Hannover ist das nicht so gut“, so Lundberg, „wo gerade die ja so reich sind an freien Theatergruppen, aber eben leider auch an Bevölkerung.“

Grundsätzlich sieht Lundberg in der Regionalisierung der Mittel aber positive Effekte: „Wir sind näher am Geschehen und können schneller entscheiden.“ Das gründet aber auch auf eine gute Zusammenarbeit mit den Kommunen und anderen Förderern wie etwa Stiftungen oder auch Fachleuten, die in der einen oder anderen Sparte die Landschaftsverbände kompetent beraten können.

Der Landschaftsverband Südniedersachsen ist allerdings einer der Verlierer der Regionalisierung. Von 2001 bis Ende 2004 wurde an ihm im Modell erprobt, wie die Umstrukturierung funktioniert, wenn die Verbände als so genannte „beliehene Unternehmer“ des MWK global die Mittel überstellt bekommen und selbst verteilen.

So macht es das Ministerium seit einigen Jahren auch mit der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Soziokultur, die sehr gute Erfahrungen mit diesem Modell gemacht hat. Für die Landschaften wurde es wieder verworfen, und Südniedersachsen hat als einzige Landschaft jetzt weniger Geld zur Verfügung als vorher.

Kirsten Haß, Geschäftsführerin des Landesverbandes Freier Theater in Niedersachsen und Sprecherin des Arbeitskreises Niedersächsischer Kulturverbände, sieht hier ganz klar eine „verschenkte Chance“: Es sieht eher so aus, als ob das MWK die Kompetenzen der ehemaligen Bezirksregierungen größtenteils an sich binden bzw. kontrollieren will. Hier von Regionalisierung zu reden, ist paradox.“

In der Tat stellt sich die Frage, warum die Umstrukturierung nicht schneller und sanfter vonstatten gegangen ist.

Dann hätten viele KünstlerInnen nicht auf andere Förderer ausweichen oder die künstlerische Produktion ganz aussetzen müssen. Gerade im Theaterbereich hängen daran viele Existenzen. „Man kann uns doch nicht einfrieren wie eine Gemüsesuppe und bei Bedarf wieder auftauen“, sagt Birgitta Heller, Geschäftsführerin des Zollhauses in Leer.

Kerstin Fritzsche