„Diese Wahl wird eine Farce“

Ab heute können Exiliraker in Berlin wählen. Doch die Organisation der Wahl stößt auf scharfe Kritik: Vertreter der Turkmenen werfen den Kurden vor, das Wahllokal in Weißensee unter ihre Kontrolle gebracht zu haben

Die ersten Wahlen nach der Invasion der westlichen Koalition im Irak werden offiziell am Sonntag stattfinden. Für die Exiliraker wird allerdings eine Ausnahme gemacht: Im Wahllokal in Berlin zum Beispiel haben sie ab Freitag drei Tage Zeit, ihre Stimme abzugeben. Doch die Wahlen interessieren nur einen Teil von ihnen. Nur die Hälfte der in Deutschland lebenden Iraker haben sich in die Wahllisten eintragen lassen, berichtet die Internationale Organisation für Migration (IOM), die im Auftrag der irakischen Wahlkommission die Abstimmung für Exiliraker organisiert.

Im Wahllokal in Weißensee erzählt ein irakischer Mitarbeiter der IOM, dass es hauptsächlich Kurden waren, die registriert wurden. Tatsächlich scheinen die Kurden in Deutschland, vor allem durch die hervorragende Organisation der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), den Weg zum Wahllokal gefunden zu haben. Das führt zu Unzufriedenheit unter anderen irakischen Gruppen und ethnischen Minderheiten, etwa unter den Turkmenen, die sich seit Jahrzehnten mit den Kurden um die Kontrolle ihrer heimlichen Hauptstadt Kirkuk zanken.

Kemal Bacalan, der Vertreter von Iraks drittgrößter Ethnie nach Arabern und Kurden, wirft der PUK vor, das Berliner Wahllokal unter ihre Kontrolle gebracht zu haben. „Sie haben letztes Wochenende mit mehreren Bussen ihre Anhänger auffahren lassen und hissten überall kurdische und US-amerikanische Flaggen“, regt er sich auf.

Bacalan, der sich bei der IOM als Beobachter eintragen ließ, sagt, die Kurden hätten sich schon vor zwei Monaten als Wahlhelfer anbieten können. Seine Organisation, die Turkmenische Front, habe dagegen erst wenige Tage vor dem Beginn der Wählerregistrierung überhaupt von dieser Möglichkeit erfahren. Nach langen Verhandlungen mit der IOM konnte man auch nur einen einzigen turkmenischen Wahlhelfer durchsetzen. „Die kurdischen Wahlhelfer verhindern teilweise die Informationsarbeit für die Turkmenen, indem sie die offiziell erlaubten türkischsprachigen Informationsplakate über die Wahlen zerreißen“, behauptet er. „Sie haben auch unsere Beobachter an der Arbeit gehindert. Das alles haben wir der IOM bereits berichtet.“

Bacalans Fazit aufgrund der geringen Beteiligung von Arabern und Turkmenen ist ernüchternd: „Diese Wahl wird eine Farce“, sagt er. Dennoch unterstützt die Turkmenische Front die Wahl, da sie befürchtet, dass die Kurden sich sonst mit US-Unterstützung ganz durchsetzen und sie selber überhaupt keine Interventionsmöglichkeiten mehr besitzen würden.

Ein IOM-Sprecher konnte auf Anfrage nicht bestätigen, dass ein Beschwerdeschreiben der Turkmenen bei Ihnen eingegangen ist. „Die Araber und die Turkmenen behaupten, dass es zu viele kurdische Wahlhelfer gibt, und die Kurden beschweren sich über zu viele turkmenische Helfer. Dass mehr Kurden dabei sind, liegt einfach an der Tatsache, dass in Deutschland mehr Kurden leben.“ CEM SEY