kempa-trick
: Prachtvoll gibt es was aufs Mützchen

Handball-Lehrlinge aus aller Welt kassieren bei der WM in Tunesien heftige Niederlagen und beglücken den Präsidenten des Weltverbands

Der gemeine Kanadier ist nicht wirklich mit einem Ball in der Hand zur Welt gekommen, und so richtig krumm nehmen darf man ihm das keineswegs. Wer gut Bäume fällen und noch besser Eishockey spielen kann, der muss nicht auch noch im Handball eine Wucht sein, was der gemeine Kanadier bei der Handball-WM in Tunesien nahezu tagtäglich beweist: 20:42 verloren gegen Tunesien, 16:44 gegen Frankreich, am Mittwoch folgte ein flottes 18:52 gegen Dänemark. Das ist bitter, andererseits schon deshalb kein Beinbruch, weil sich der Kanadier mit diesem Schicksal bei dieser WM in bester Gesellschaft befindet, beispielsweise in der des gemeinen Angolaners, der mit 19:47 Dänemark unterlag. Oder des Kuwaitis, der gegen die Russen mit 11:38 aufs Mützchen bekam.

Ein ganz besonders prachtvolles Exemplar unter den Völkern, die diesen Sport besonders gut nicht können, ist der gemeine Australier. Down under mag es schnelle Schwimmer mit übergroßen Füßen und Händen sowie den ein oder anderen ganz passablen Tennisspieler geben, gute Handballer gibt es definitiv nicht. Was nicht weiter verwundert, weil in Australien nur knapp 400 Verrückte diesem schönen Sport frönen. 15 von ihnen mussten zur WM, was an seelische Grausamkeit grenzt, weil von Anfang an klar war, dass der gemeine Australier hier kräftig Prügel beziehen wird: Erst 19:51 gegen Spanien, dann 16:49 gegen Schweden, schließlich 18:38 gegen Olympiasieger Kroatien, was beinahe schon als respektabel bezeichnet werden muss.

Spaß macht das keinen. Den Spielern nicht, die sich vorkommen müssen wie die letzten Deppen – und den Zuschauern schon gar nicht. Die Hallen sind so gähnend leer wie eiskalt. Dabei ist das nichts Neues, sondern war schon bei den letzten Weltmeisterschaften zu beobachten; letztendlich ist es sogar gewollt. „Man muss solche Länder mitspielen lassen, damit sie irgendwann besser werden und oben mitspielen“, sagt Hassan Moustafa, Präsident der Internationalen Handball Föderation (IHF). Der 60-jährige Ägypter war Nationalspieler und -trainer seines Landes, seit nunmehr vier Jahren ist er der Welt oberster Handballer. Seine selbst auferlegte Mission: Handball weltweit populär machen. „Die Aufgabe der IHF ist es, die Verbände in der ganzen Welt zu unterstützen“, sagt Moustafa.

Das ist zunächst kein schlechtes Ansinnen für den Präsidenten eines Weltverbandes, triebe es nicht, wie so oft in der intriganten Welt der Sportpolitik, seltsame Blüten. Denn nicht wenige der Länder, die der clevere Herr Moustafa seinem Verband in den letzten Jahren hat einverleiben können, verfügen weder über einen geregelten Spielbetrieb noch über eine Nationalmannschaft, gut möglich, dass manche noch nicht einmal über einen Handball verfügen. In die große Handballfamilie Aufnahme finden sie dennoch, Papa Moustafa sei Dank. Auf 155 Mitglieder hat der die IHF mittlerweile aufgebläht, nur noch 50 weniger, als der Fußballverband Fifa hat. Überflüssig zu erwähnen, dass Staaten wie die Cook Islands oder Barbados unendlich stolz darauf sind, nun ganz offiziell Handball spielen zu dürfen – und Herrn Moustafa dafür bestimmt ihre Stimme schenken, wenn er sie bei irgendeiner Wahl braucht. Und Handballzwerge wie die Cook-Islands, auf denen es 158 registrierte Handballer gibt, verfügen über die gleiche Anzahl an Stimmen wie beispielsweise der Deutsche Handball-Bund, der mit rund 850.000 Leuten mitgliederstärkste Verband.

Wie gut es sich als Präsident damit leben lässt, war Anfang Dezember zu sehen, als sich der vor allem in Europa mittlerweile umstrittene „Meister des Lobbying“ (Neue Zürcher Zeitung) bei seiner Wiederwahl mit 85:46 Stimmen gegen Herausforderer Staffan Holmqvist durchsetzte. Dies war nicht nur eine Niederlage des Schweden, sondern von ganz Europa. Und es war ein deutlicher Beweis, dass der Mutterkontinent der Sportart immer mehr an Einfluss verliert. Zwar spielen unvermindert 90 Prozent aller Handballer in europäischen Ligen, in der IHF das Sagen aber haben mittlerweile die anderen, zum Beispiel die Fraktion aus Afrika, Asien und Panamerika, die es zusammen auf 104 der insgesamt 155 Stimmen bringt. Entsprechend groß ist die Macht von Hassan Moustafa.

Wie der Ägypter mit dieser bisweilen umgeht, zeigt das Beispiel von Gijs Langevoort. Der niederländische Arzt war lange Jahre Vorsitzender der Medizinischen Kommission der IHF, machte sich als solcher für eine strikte Dopingbekämpfung stark – und damit zu Moustafas Gegner, schließlich betrafen die zwei letzten Dopingvergehen die ägyptische Nationalmannschaft. Da ist es kein Wunder, dass Langevoort im Dezember nicht genug Stimmen bekam und François Gnamian von der Elfenbeinküste zum neuen Chefmediziner gewählt wurde. Das hat mit dieser WM und dem gemeinen Kanadier natürlich nur am Rande zu tun. Man wollte es nur einmal erwähnt haben. FRANK KETTERER