Mit Zeitverzögerung ins Ministeramt

Nach einem mehrstündigen Schlagabtausch zwischen Republikanern und Demokraten bestätigt der US-Senat Condoleezza Rice als neue Außenministerin. Die Republikaner vermuten hinter der unfreiwilligen Fragestunde eine politische Kampagne

Die Angriffe der Opposition zielten weniger auf Rice denn auf den Präsidenten

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Nach einem zum Teil erbitterten Schlagabtausch zwischen Republikanern und Demokraten im US-Senat wurde Condoleezza Rice am Mittwoch mit 85 zu 13 Stimmen als neue Außenministerin bestätigt. Dies ist das zweitschlechteste Abstimmungsergebnis in der US-Geschichte und ein deutlicher Hinweis, wie sehr die Meinungen über sie auseinander gehen.

Die Demokraten stritten mit dem Eifer der Verzweifelten, da sie Rice aufgrund der republikanischen Mehrheit ohnehin nicht verhindern konnten. Wenigstens wollten sie ihrem Frust über die in ihren Augen katastrophalen außenpolitischen Fehleinschätzungen der vergangenen vier Jahre noch einmal Luft machen. Neun Stunden lang zwangen sie den Republikanern, die Rice eigentlich bereits in der vergangenen Woche bei Bushs Amtsantritt bestätigt haben wollten, eine unangenehme Diskussion auf.

Selten hat man im Kongress die Opposition so scharfe Geschütze auffahren sehen. Sie warf dem Weißen Haus „Lügen“ vor, kritisierte das von Rice entworfene Bedrohungsszenario irakischer ABC-Waffen als Rechtfertigung für die Invasion und das Missmanagement der Besatzung.

Senator Edward Kennedy nannte Rice die „falsche Wahl“. Die USA bräuchten jemanden, der eine klügere Strategie im Irak vertrete und besser mit der internationalen Staatengemeinschaft kooperieren könne, um den weltweit verlorenen Respekt wieder zu erlangen. Andere Senatoren warfen Rice mangelnden Willen vor, sowohl die Situation vor Kriegsbeginn als auch heute im Irak ehrlich und realistisch einzuschätzen.

Bis auf ein dünnes und abstraktes Eingeständnis, dass sicher auch Fehler gemacht worden seien, verteidigte sie wie eine Löwin die Politik der Regierung. Diese Haltung konnten viele Demokraten nur noch als blanken Zynismus interpretieren. Denn just am Mittwoch – mit rund drei Dutzend Toten der verlustreichste Tag für die US-Truppen im Irak – beantragte das Weiße Haus beim Kongress zusätzliche 80 Milliarden Dollar und machte damit deutlich, wie gründlich es sich in Sachen Kriegskosten verschätzt hatte.

Die Angriffe der Opposition zielten jedoch weniger auf die Person Rice, sondern auf den Präsidenten. Auffällig dabei war, dass sie nicht nur aus dem linken, sondern auch dem moderaten Lager der Demokraten kamen. Dieses sind erste, klare Anzeichen dafür, dass sich einzelne von ihnen bereits für kommende Wahlen positionieren.

Senator Evan Bayh aus Indiana zum Beispiel, der einst die Kriegsresolution im Kongress unterstützt hatte, nannte Rice nun die „Architektin einer Politik des Versagens, die tragischerweise Amerikas Chancen auf einen Erfolg im Irak minimiert hat“.

Die Republikaner zeigten sich empört über die quälenden Fragen, hinter denen sie eine „politische Kampagne“ vermuten. Sie verteidigten Rice als erfahrene Politikerin mit einer außergewöhnlichen Biografie. Und wie so oft im öffentlichen Diskurs in Amerika seit den Anschlägen vom 11. September machten sie deutlich, Dissens als unpatriotisch zu empfinden. Daraufhin sah sich die Opposition gezwungen, die Republikaner an die Grundwerte einer Demokratie zu erinnern, für die Bush woanders gerne in den Krieg zieht. „Wer legitime Fragen und eine Debatte abwürgen will, der handelt undemokratisch“, erregte sich ein Senator.