„Ihr zeigt Mut und Standfestigkeit“

taz übernimmt Patenschaft: Gymnasium in Verden erhält Prädikat „Schule ohne Rassismus“

Fabian Lohmann kämpft gegen Neonazis in Verden nicht mit Schlagstöcken auf der Straße und nicht mit leeren Worten. Er hat die Arbeitsgemeinschaft „Schule ohne Rassismus – GaW mit Courage“. Seine Schule, das Gymnasium am Wall (GaW), befindet sich in der niedersächsischen Kleinstadt Verden. Einen ersten Erfolg für ihn und die 25 Schüler der AG gab es in dieser Woche. Ihre Schule wurde offiziell zur „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ gekürt. Die taz ist offizielle Patin des Verdener Projekts.

„Die Auszeichnung ist nur ein Rahmen“, sagte Schülersprecher und Initiator Lohmann bei der Verleihung am Mittwoch in der Aula des Gymnasiums, „ich wünsche mir ein schönes Bild darin“. Hunderte von Schülerinnen und Schülern klatschen darauf heftig und stampfen mit den Füßen auf den Boden. Es ist wohl diese Begeisterung in den Gesichtern, die keine Zweifel lässt, dass sich die Schüler weiterhin engagieren werden.

taz-Chefredakteurin Bascha Mika gratulierte den Schülern zu ihrer Auszeichnung. „Es gibt eine gesellschaftliche Gegenbewegung zu Rassismus und Diskriminierung. Ihr seid ein Teil davon“, sagte sie zu den Schülern in der Aula. Auch die taz wolle neonazistische Tendenzen nicht nur beschreiben, sondern aktiv etwas dagegen tun.

Eberhard Seidel, Bundesgeschäftsführer der Organisation „Schule ohne Rassismus“, zeigte sich zufrieden darüber, dass die Schüler neben dem Bürgermeister Lutz Brockmann auch die taz als Patin gewinnen konnten: „Wenn sie eine Aufgabe übernimmt, hat sie einen langen Atem“, sagte Seidel.

Und der wird wohl auch von allen benötigt, denn das Projekt soll weit über die Verleihung eines Titels hinausgehen. Um „Schule ohne Rassismus“ zu werden, müssen zunächst mehr als 70 Prozent aller Schüler, Lehrer und Angestellten das Selbstverständnis der bundesweiten Organisation unterschreiben. In Verden waren es über 80 Prozent – damit haben sie sich verpflichtet, jegliche Form von Rassismus in ihrer Schule aktiv zu bekämpfen. Das heißt: langfristig gegen jede Form von Diskriminierung vorzugehen und einmal pro Jahr ein Projekt zum Thema Diskriminierung zu organisieren.

In dieser Woche haben die Schüler des Gymnasiums daher erstmals Projekttage organisiert. In über 30 Workshops beschäftigten sie sich zwei Tage lang mit dem Thema Rassismus – auf ganz unterschiedliche Weise. Die einen haben ein Wandbild gemalt, andere analysierten Rechtsrock oder lernten über das Internet als Plattform für Rechte. Auch zum ersten Mal erschien in dieser Woche das antirassistische Schülermagazin KONTRassT, an dem nicht nur das Gymnasium am Wall, sondern auch andere Schulen mitgeschrieben haben. Doch das Gymnasium am Wall ist die einzige „Schule ohne Rassismus“ – nicht nur weil sich die Schüler hier besonders engagieren, auch der Schulleiter Jürgen Bulig hat sich wohl mehr eingebracht als seine Kollegen. Er verpflichtete jeden seiner Lehrer, einen Workshop anzubieten.

Die Idee von „Schule ohne Rassismus“ hat sich bereits außerhalb von Verden bewährt. Das Konzept wurde in den 80er-Jahren in Belgien entwickelt und ist vor zehn Jahren von der Organisation „Aktion Courage“ nach Deutschland gebracht worden. Mittlerweile haben sich hier über 200 Schulen dem Projekt angeschlossen. In Niedersachsen ist das GaW die 39. Schule.

Doch für ein westliches Bundesland ist die Situation in Verden eine besondere. Die neonazistische Gruppe Jungen Nationaldemokraten (JN) versucht hier massiv, für Deutschtümeleien und Antisemitismus zu werben, und verteilt das Pamphlet „Der Rebell. Nationalistisches Informationsblatt für Schülerinnen und Schüler“ an den Schulen in Verden und Umgebung. In dem wenige Kilometer entfernten Dörverden versammelt der Hamburger Anwalt Helmut Rieger Rechtsradikale auf dem Heisenhof um sich. Migranten und Antifas werden in diesem Umfeld bedroht, auf einen Journalisten wurde ein Anschlag verübt (die taz berichtete).

Diese Eindrücke ließen Lohmann und seine Mitschüler aktiv werden – vor zehn Monaten gründeten sie ihre Arbeitsgemeinschaft. „Ihr zeigt Mut, Standfestigkeit und die Bereitschaft, euch einzubringen“, sagte die taz-Chefredakteurin bei der Verleihung. „Ich wünsche euch, dass das auf die ganze Stadt ausstrahlt und Verden bald ein Lichtblick ist.“ SASCHA TEGTMEIER