Massaker in Ituri

Kongos Nordosten ist wieder Kriegsgebiet. Milizen brennen Dorf nieder und massakrieren Vertriebene

BERLIN taz ■ Bei einem Milizenangriff auf ein Dorf im nordostkongolesischen Unruhedistrikt Ituri sind, wie gestern bekannt wurde, in der Nacht zu Mittwoch bis zu 80 Menschen massakriert worden. Genaue Zahlen lagen gestern noch nicht vor, aber die in der Region tätige Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) bestätigte, dass der Ort Che von Milizionären der „Nationalen Kräfte für Integration“ (FNI) angegriffen und niedergebrannt worden sei. Die FNI ist die wichtigste bewaffnete Gruppe des Lendu-Volkes, das sich seit 1999 in einem Dauerkonflikt um Macht und Land in Ituri mit Milizen des Hema-Volkes befindet. In Che lebten 7.000 vertriebene Hema.

Der Hema-Lendu-Konflikt in Ituri, ein an Gold und angeblich auch an Erdöl reiches Gebiet an Kongos Grenze zu Uganda, hat seit 1999 über 60.000 Tote und 500.000 Vertriebene unter den 3 Millionen Einwohnern gefordert. Als er vor zwei Jahren besonders blutig eskalierte und die Distrikthauptstadt Bunia erreichte, stellte eine französische Militärintervention vorübergehend Ruhe her. Seither ist Ituri das Haupteinsatzgebiet der UN-Blauhelmtruppe im Kongo. Im vergangenen Jahr vereinbarten Ituris Milizenführer feierlich eine Einstellung der Kämpfe.

Doch wirklich zum Frieden bereit sind Ituris Warlords nicht. Ein im September 2004 gestartes UN-Demobilisierungprogramm für die Milizen hat bisher nach UN-Angaben nur 2.474 Kämpfer veranlasst, ihre Waffen abzugeben – von rund 15.000 insgesamt. Seit November häufen sich wieder in ganz Ituri bewaffnete Überfälle. Nichtsdestotrotz wurden vier der fünf wichtigsten Milizenführer Anfang Januar zu Generälen der zukünftigen Armee des Kongo ernannt.

Diese Beförderung hat die Kriegsführer bestätigt. Seit einigen Wochen herrscht zwischen der wichtigsten Lendu-Miliz FNI und der wichtigsten Hema-Miliz UPC-L (Union kongolesischer Patrioten) ein erbitterter Krieg, der zeitweise über 15.000 Hema als Flüchtlinge nach Uganda getrieben hat. Die Hema-Kämpfer des UPC-L-Führers Thomas Lubanga, unterstützt von ruandischstämmigen Soldaten aus anderen Teilen Ostkongos, führen einen Abwehrkampf gegen die Lendu, bei dem das Massaker von Che eins der schlimmsten einzelnen Kriegsverbrechen darstellt.

Mamadou Bah, Sprecher der UN-Mission im Kongo, nannte am Mittwoch die Kämpfe einen „Destabilisierungsversuch“. Markus Sack, Kongo-Verantwortlicher der Deutschen Welthungerhilfe, sagte der taz, der Machtkampfs zwischen Warlords drohe sich zu einem allgemeinen ethnischen Konflikt auszuweiten. In diesem Fall ist denkbar, dass Ituris Krise, genauso wie vor zwei Jahren, den Friedensprozess in ganz Kongo gefährdet. Dieser steckt ohnehin wegen des ungelösten Streits um einen Termin für freie Wahlen in einer Krise. DOMINIC JOHNSON