Frage der Einstellung

Nachdem das fünfte Spiel in Serie nicht gewonnen wurde, nähert sich Arminia Bielefeld dem Tabellensouterrain

BIELEFELD taz ■ Hinterher war der gefragteste Mann der mit Abstand unauffälligste Akteur auf dem Platz. Nein, das Spiel sei nichts Besonderes für ihn gewesen, berichtete der Umworbene den Medienvertretern und konnte keinerlei Auffälligkeiten auf und neben dem Feld benennen. Schiedsrichter Dr. Felix Brych hatte einen ruhigen Arbeitstag. So ist das halt, wenn der Erste der Fair-Play-Tabelle auf den Zweiten dieser Weichspielwertung trifft. Erhitzte Regelwächter-Debatten gab es an diesem Samstagnachmittag irgendwo anders, aber nicht in Bielefeld.

Mit 0:1 hatte Arminia Bielefeld gegen Hannover 96 eine Partie verloren, die dem opulenten Werk „Durchschnittsspiele im Fußballoberhaus“ ein weiteres Kapitel hinzufügte. Den Nieder-sachsen reichte die feine Einzelleistung von Daniel Stendel in der 30. Minute, um die Gastgeber zu düpieren. „Das war heute ein richtungsweisendes Spiel“, seufzte Trainer Uwe Rapolder. Jetzt könnten die Skeptiker wieder auftrumpfen, die Arminia bestenfalls eine Rolle im Abstiegskampf zutrauen. In den letzten fünf Spielen haben die Ostwestfalen ein Pünktchen ergattert, zwei Tore geschossen und in der Tabelle Platz für Platz eingebüßt.

Dass Bielefeld sich nach der zweiten 0:1-Pleite in diesem Jahr um den Titel des Jürgen-Hingsen-Gedächtnis-Fehlstarts bewerben kann, lag vor allem an einer schwachen 1. Halbzeit. Obwohl kein Schild mit der Aufschrift “Betreten verboten“ am Hannoveraner Strafraum auszumachen war, vermieden die Arminen mit größter Zuverlässigkeit jede Nähe zum 16er der 96er. Die Folge: Schach-Freund Uwe Rapolder ließ in der Halbzeit rochieren. Die im Winterschlussverkauf erworbenen Roberto Pinto (vereinslos) und Tomasz Wisio (FC Superfund) blieben draußen – „aus taktischen Gründen“, wie der Trainer betonte. Die Intention, durch die Umstellung von Vierer- auf Dreierabwehrriegel ein Übergewicht im Mittelfeld zu erwirken, glückte. Arminia spielte druckvoller, nicht zuletzt weil Einwechselspieler Diego Leon, den die Ostwestfalen im Winter aus dem hofstaatlichen Fundus von Real Madrids B-Mannschaft entliehen haben, gelegentlich für Wirbel sorgte. „Es gab einige brenzlige Situationen, mehr aber auch nicht“, bilanzierte Rapolder, dem der Auftritt seines Teams sichtlich nicht behagen wollte.

Noch sind es beruhigende neun Punkte Vorsprung auf einen Nichtabstiegsplatz. Das kann sich aber schon am kommenden Samstag ändern, wenn die Bielefelder beim Drittletzten in Bochum gastieren. „Das wird ein ganz wichtiges Spiel“, prophezeit Stürmer Fatmir Vata, „da müssen wir mindestens einen Punkt holen.“ Ansonsten schaut ein alter Bekannter wieder vorbei, den die Bielefelder Fans bereits ausgesperrt glaubten: das Abstiegsgespenst.

Gefragt ist jetzt der Psychologe. Uwe Rapolder will die Mannschaft behutsam stärken, obgleich er auch ankündigt, in den nächsten Tagen Tacheles zu reden, „weil da etwas Selbstüberschätzung bei uns im Spiel war.“ Alles eine Frage der Einstellung. Hannovers Coach Ewald Lienen durfte sich am enormen Engagement seiner Elf delektieren: „In der ersten Viertelstunde haben wir mehr Zweikämpfe gewonnen als im ganzen Spiel gegen Leverkusen zuvor“. Eine vorbildhafte Leidenschaft. „Wir müssen jetzt Ruhe bewahren und einfach wie Hannover mal auswärts gewinnen“, hofft Fatmir Vata.

ANDREAS BEUNE