Lauth schreibt Märchen

Seit dem Saisonstart stand Neuzugang Benjamin Lauth 32 Minuten für den HSV auf dem Feld. Dabei erzielte er zwei Siegtore. Grund genug, ihn nach dem 2:1 gegen Mainz alle 16 Zeilen zu feiern

aus Hamburg OKE GÖTTLICH

Irgendetwas musste einfach passieren. Das fiel den Verantwortlichen am Seitenrand des Geschehens ebenso auf wie den neutralen Beobachtern der analysierenden Medienzunft. Die Fans freilich hatten es mal wieder als Erstes bemerkt. Sie konnten den harmlosen Angriffsbemühungen ihres HSV nichts mehr abgewinnen, feierten lediglich ihren emsigen Wiederkehrer Mehdi Mahdavikia der seit Monaten nicht mehr in die Startformation rücken durfte und begannen ab der 55. Minute erst ruhig, dann

Tor!

immer lauter nur noch einen Spieler zu fordern.

Den Spieler, dem HSV-Trainer Thomas Doll vor dem Spiel zwanzig Minuten Spielzeit versprach. Benjamin Lauth, seit Saisonbeginn ein Münchner in Hamburg und beinahe ebenso lange aufgrund einer Verletzung nicht spielfähig, wünschten sich die Fans lange vor der 70.Minute. Von ihm erhofften sie sich die fehlende Explosivität, die das Spiel gegen Mainz lange Zeit nach einem typischen 1:1 aussehen ließen. Mit jeder Minute, die

Tor!

sich der Zeiger der 20 Minute-Grenze näherte, wurden die Massen unruhiger, die „Lauth“-Rufe lauter.

Doch Thomas Doll dachte gar nicht daran sich an seine Worte zu halten. 74 Minuten vergingen, ehe der Rekonvaleszent zum zweiten Mal als Einwechselspieler den Rasen der HSV-Arena betreten durfte. Bei seinem ersten Kurzeinsatz gegen Nürnberg vor einem halben Jahr erzielte der ehemalige 1860er den entscheidenden Treffer zum 4:3-Erfolg für den HSV in der 87. Minute.

Tor!

Auch da kam er in der 74. Minute ins Spiel.

Lauth betrat also den Rasen während die Fanmenge jubelte und gemeinsam mit ihren Vorahnungen eine eigenartige Stimmung verursachte. Plötzlich wurden die Bemühungen der Heimmannschaft lebendiger und wer noch einen Beweis für die ungewöhnlichen Schwingungen brauchte, musste nur Dimo Wache beobachten. Denn der Mainzer Keeper wußte selbst nach dem Spiel nicht, wie der Ball, den Benjamin Lauth in der

Tor!

78.Minute drosch, an ihm vorbei ins Tornetz gelangen konnte. „Ich fühle mich beschissen“, sagte Wache der den flattrigen, aber durchaus haltbaren Ball nicht unter Kontrolle bringen konnte.

Ganz anders ging es Lauth. „Es ist schon sensationell wie es bereits zum zweiten Mal gelaufen ist. Hoffentlich geht es so weiter.“ Das würde allerdings ein Tor alle sechzehn Minuten voraussetzen. Darauf wetten würde Lauth selbst nicht. „Ich konnte es noch einmal bestätigen, aber diesen Schnitt zu halten, wird ganz

Tor!

schön schwer“ lächelt der Wiederkehrer nach seiner langwierigen Sprunggelenksverletzung.

„Ich weiß selbst, wie das ist nach so langer Zeit wieder zurückzukommen“, erklärte Thomas Doll. Es müsse ein „Märchen für Benni“ sein, schloss sich auch der Trainer den Phantasmen an, schränkte jedoch zugleich ein, dass Lauth den Ball flach halten und sich über Kurzeinsätze wieder in die Mannschaft spielen müsse. Das wird der Märchenfigur des HSV erst mal egal sein. Denn das Lauth eine ist, bestätigte

Tor!

Sportchef Dietmar Beiersdorfer, der auf die Frage eines Bild-Reporters, ob dies nicht eine „Aschenputtel-Geschichte“ sei, antwortete: „Warum nicht? Er sieht doch auch ein bisschen so aus.“