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: Die Intendantenverschwörung

Ab heute beraten die ARD-Intendanten über die zukünftige Sendezeitlänge ihrer Politmagazine. Und wir wollen mal nicht hoffen, dass an denen rumgekürzt wird, denn sonst …

Szenario 1: Im Büro des Politikers klingelt das Telefon. Auf seinem Schoß sitzt eine osteuropäische Blondine, ihm gegenüber ein Lobbyist mit einem Koffer voller Geld, im Hintergrund eine Hintertür. Der Politiker nimmt den Hörer ab, verdreht gelangweilt die Augen, sagt „Wie? Was? Ich?“ und dann: „Ich schicke Ihnen eine Stellungnahme per Fax.“ Der Politiker legt auf, zeigt entschuldigend auf das Telefon und sagt: „Wieder irgend so’n ARD-Politmagazin, aber wo waren wir stehen geblieben, Freunde?!“

Szenario 2: Der investigative Journalist kommt in die Redaktionssitzung eines ARD-Politmagazins. Er sieht übermüdet aus, unrasiert, aber glücklich. Unterm Arm hat er mehrere Ordner mit kopierten Akten und Geheimpapieren, an denen kleine Post-it-Zettel kleben. „Ich …“, sagt der investigative Journalist atemlos, „ … hab die Story!“ Niet- und nagelfest sei die, sagt er, wasserdicht: „Wenn wir das bringen, werden Köpfe rollen, Leute!“ Doch der Redaktionsleiter schaut den investigativen Journalisten an und sagt: „Du, sorry, aber jetzt, wo unsere Sendung auf dreißig Minuten gekürzt wird, haben wir dafür leider keinen Platz …“

Szenario 3: „Sollten diese Kürzungen tatsächlich zu den Sparvorhaben der ARD gehören, hätte die Politik – nach der Reduzierung der Rundfunkgebührenerhöhung – mit Hilfe der Intendanten durch die Hintertür ein zweites Ziel erreicht: Die Kontrolle der Politik durch den investigativen Journalismus würde deutlich eingeschränkt.“

Szenario 1 und 2 sind ausgemachter Unsinn, Szenario 3 stammt aus einer Pressemitteilung des Deutschen Journalistenverbandes und ist ein Zitat des DJV-Chefs Michael Konken, das man ruhig zweimal lesen kann. Aber worum geht es eigentlich?

Im Grunde geht nur darum, dass sich die Intendanten der ARD-Anstalten heute und morgen mit einer Programmreform des Ersten befassen, bei der es u. a. um die Vorverlegung der „Tagesthemen“ auf 22.15 Uhr geht, aber auch um eine damit irgendwie verbundene Sendezeitverkürzung bei den Politikmagazinen „Monitor“, „Panorama“, „Report Mainz“, „Report München“, „Fakt“ und „Kontraste“. Erwartungsgemäß stießen die Kürzungspläne schon im Vorfeld auf Widerstand. Die Journalistenorganisation Netzwerk Recherche hat hochgerechnet, dass dadurch pro Jahr 20 Sendestunden und mindestens 200 Beiträge wegfallen würden, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Michael Müller, ist dagegen, die Riege der ARD-Politmagazin-Chefs natürlich auch – und eben der zitierte DJV-Chef Konken, dessentwegen zum Schluss noch aus einem Beitrag der letzten „Panorama“-Sendung zitiert sei, in dem ein Experte (in anderem Zusammenhang) sagte: „Wir beobachten eine Zunahme von Verschwörungstheorien, eine Zunahme vor allem im Bereich von gebildeten Leuten (…). Leute erleben oder hören plötzlich, dass sozusagen obskure Kräfte die politischen Geschicke leiten, und das erklärt dann auch ein Stück weit, warum man sich selber ohnmächtig fühlt.“

CHRISTOPH SCHULTHEIS